Sind die Blutflecken auf dem Turiner Grabtuch gemalt? Experten widersprechen neuer Studie

TURIN- Mehrere Experten haben die wissenschaftliche Validität einer Studie zum Turiner Grabtuch bezweifelt, welche zu dem Ergebnis gekommen war, dass fast die Hälfte der Blutflecken darauf „gemalt“ worden sei. Die Studie gründet auf Simulationen und Fotos, ohne dass deren Autoren je Zugang zum Original-Grabtuch gehabt hätten.

Vor ein paar Tagen hatten der forensische Anthropologe Matteo Borrini und der Chemiker Luigi Garlarschelli im Journal of Forensic Sciences die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit veröffentlicht, die sich auf die Blutspurenmusteranalyse stützt, die auch bei der Untersuchung von Tatorten angewandt wird.

Die italienische Autoren hatten nie Zugang zum echten Grabtuch, das in der Kathedrale von Turin aufbewahrt wird, sondern führten ihre Experimente mit Hilfe von Fotografien und Modellen durch. Dazu gehörten auch Schaufensterpuppen, von denen die Gegner der Studie erklären, sie würden einem Leichnam, wie ihn das Grabtuch umhüllt hatte, nicht gleichkommen.

Der forensische Anthropologe Borrini behauptet, die Flecken „seien nicht realistisch“ und ist der Meinung, sie seien „künstlich hergestellt worden“, weil seinen Simulationen gemäß das Blut in eine andere Richtungen geflossen sein müsste.

Emmanuella Marinelli, eine Wissenschaftlerin, die das Turiner Grabtuch seit 1977 studiert, mehr als 300 Artikel und verschiedene Bücher zum Thema geschrieben hat, stellte in einer Mitteilung an CNA die in der Studie eingesetzten Untersuchungsmethoden in Frage.

Auch wenn es für die Autoren aufgrund der Charakteristika ihrer Analyse nicht notwendig war, das echte Leinentuch zu untersuchen, so „ist es eindeutig nicht dasselbe“, sich auf ein Foto zu verlassen und nicht auf die Reliquie zurückzugreifen, erklärte Frau Marinelli.

„Diese beiden Forscher gehörten nie zu den Wissenschaftlern, die das Grabtuch direkt untersucht haben und sie haben es niemals aus der Nähe gesehen. Vielleicht haben sie es noch nicht einmal aus der Ferne gesehen“, erläuterte die Expertin gegenüber der Online-Tageszeitung „La Nuova Bussola Quotidiana“.

Trotz dieser Einwände und der über tausend wissenschaftlichen Studien, die bisher zum Grabtuch durchgeführt wurden, haben mehrere Medien die Forschungsarbeit als Beweis dafür präsentiert, dass die Reliquie gefälscht worden sei.

Deren Autoren teilten mit, ihre Tests mit echtem und synthetischem Blut an Freiwilligen und Schaufensterpuppen durchgeführt zu haben. Die Stellen, die sie für gefälscht halten, befinden sich an den Unterarmen und im Lendenbereich.
In einer Pressemitteilung, die verschiedenen Medien übernommen haben, leugnen sie die Echtheit des Turiner Grabtuchs und bezeichnen es als „eine künstlerische oder didaktische Darstellung der Passion Christi, die im XIV. Jahrhundert angefertigt wurde.“

„Keiner der Forscher verfügt über eine wissenschaftliche Qualifikation, um da mitzureden“, da sowohl ein Anthropologe als auch ein Chemiker „keine Erfahrung mit menschlichen Blutflecken hat“, so Alfonso Sánchez Hermosilla, forensischer Arzt und Anthropologe, sowie Leiter des Forschungsteams des Spanischen Zentrums für Sindonologie (CES).

„In ihrer Studie behaupten sie, dass die Blutflecken auf dem Tuch jenen nicht entsprechen, die bei ihren Experimenten aufgetreten sind; aber sie verfügen nicht über das nötige Wissen und daher haben sie die Experimente nicht auf sachgemäße Weise angelegt. Deshalb haben ihre Schlussfolgerungen keinerlei wissenschaftlichen Wert“, fügte er in einer Erklärung an CNA hinzu.

Für Sanchez Hermosilla hätte die Studie – eben weil sie „keinerlei wissenschaftlichen Wert“ besitzt – in einer seriösen Zeitschrift nicht veröffentlicht werden dürfen.

Professor Paolo Di Lazzaro, Konrektor des Internationalen Zentrums für Sindonologie in Turin, schrieb in einem Brief, den die Diözese Turin öffentlich gemacht hat, dass sich die Umstände, unter denen sich die Blutflecken eines gefolterten und extremen Bedingungen ausgesetzten Menschen bilden, sehr von jenen eines gesunden Freiwilligen oder einer Schaufensterpuppe unterscheiden, wie sie Borrini und Garlarschelli verwendet haben.

„Es ist undenkbar, realistische Bedingungen über den Fluss des Blutes am Körper eines Gekreuzigten zu reproduzieren, ohne alle Faktoren zu berücksichtigen, die auf bedeutende Weise diesen Blutfluss beeinflusst haben“, betonte er.

Wissenswertes zum Turiner Grabtuch

Das Turiner Grabtuch ist ein Leinentuch, das 4,41 Meter lang und 1,13 Meter breit ist. Es zeigt das Bild eines gefolterten und gekreuzigten Mannes. Der Überlieferung nach ist es das Tuch, in das Jesus nach seinem Kreuzestod gehüllt worden war.

Es befindet sich seit 1578 in Turin (Italien) und war Gegenstand von mehr als tausend wissenschaftlichen Untersuchungen auf verschiedensten Spezialgebieten. Mehr als 32.000 Fotos wurden vom Grabtuch angefertigt. Daher betrachtet man das Turiner Grabtuch als die am besten untersuchte Reliquie der Geschichte.

Es wurde zuletzt im Jahre 2015 öffentlich ausgestellt und wird im August nächsten Jahres ausnahmsweise für einige Tage, anlässlich einer großen Wallfahrt italienischer Jugendlicher, gezeigt werden.

Übersetzt von Susanne Finner. (CNA Deutsch)

“Spannender als jeder Tatort”: Wer ist der Mann auf dem Turiner Tuch?

BAMBERG – Für viele ist es der Stoff, in den Jesus Christus im Grab umhüllt war – andere sind sich alles andere als sicher: Das Turiner Grabtuch gehört sicherlich zu den meistdiskutierten Andachtsgegenständen der Welt.

Der Malteserorden hat sich fast wie im Krimi zusammen mit Experten auf Spurensuche gemacht, um zusammenzutragen, welche Indizien die moderne Wissenschaft beitragen kann: Was sagt das Tuch sozusagen über sich selbst aus?

Herausgekommen ist eine Wanderausstellung, die den Betrachter auf den neuesten Stand der Sindonologie, der Grabtuchkunde, bringt. Dabei möchte man Gläubige ebenso ansprechen wie wissenschaftlich Interessierte.

Für Markus Nietert, den Diözesanpressereferenten des Malteserordens in der Erzdiözese Bamberg, ist das Ganze „spannender als jeder Franken-Tatort“.

Beim Rundgang durch die 20 Stelen, vorbei unter anderem an originalgetreuen Nachbildungen des 4,40 mal 1,13 Meter großen Tuches, der Geißeln, und der Dornenhaube, sprudeln die Fakten: Zur Praxis der Geißelung etwa, warum die 1969 von Monsignore Giulio Ricci gezählten 117 kleineren Wunden darauf schließen lassen, dass der Mann auf dem Tuch nach römischer Art, aber in Judäa gegeißelt wurde. Oder zur Frage nach dem fehlenden Finger an der linken Hand; zur „Aussage“ der Brandlöcher.

Erkenntnisse aus neuen Analysen

Viele kennen aus den Medien die Entdeckung des „positiven Negativs“ des Körperabdrucks, durch den Rechtsanwalt Secondo Pia 1898, der das Tuch als erster fotografierte. Sie war der Anfang einer Reihe spektakulärer Untersuchungen, die versuchen, sich mit immer aufwändigeren Methoden dem Geheimnis des Tuches zu nähern. Mittlerweile kann mithilfe eines speziellen Bildanalyse-Computers der NASA (die damit die Marsoberfläche plastisch darstellt) und einem Foto des Tuchs ein perfektes, dreidimensionales Bild eines liegenden Mannes erstellt werden.

Zur Datierung des Tuches werden heute neben der bei verschmutzten Stoffen nur bedingt aussagekräftigen Radiokarbon-Methode gleich drei alternative Verfahren (FT-Infrarotspektroskopie, Raman-Spektroskopie und die sogenannte multiparametrische Methode) eingesetzt. Ergebnis: Der Durchschnittswert aller drei Ergebnisse liegt bei 33 vor Christus, mit einer möglichen Abweichung von maximal 200 Jahren.

Professor Ray Rogers, Chemiker der Los Alamos Nationallaboratorien in den USA, konnte das 2003 durch die Bestimmung des Vanillingehalts des Tuches bestätigen, der sich durch den gleichmäßigen Zerfall des im Leinen enthaltenen Lignins ergibt.

Straßenschmutz aus Jerusalem

Auch Krimifan Nietert begeistern die Funde im Mikrokosmos des Tuchs. Pollen der Distel Gundelia tournefortii und des äußerst seltenen buschigen Jochblatts habe man gefunden, das nur auf dem Sinai und in der Wüste um das Tote Meer wachse. Beide zusammen könne man nur in einem schmalen Streifen zwischen Jerusalem und Hebron finden. Auch der gefundene Straßenschmutz sei eindeutig aus der Gegend um Jerusalem. „Immer wieder schließt sich der Kreis“, findet er und zieht Vergleiche mit Aussagen der Bibel, die durch die Funde eindeutig bestätigt werden.

Die Bamberger Malteser hatten die Ausstellung anlässlich ihres 60-jährigen Jubiläums in ihre Heimatstadt geholt, um sich bei der Erzdiözese zu bedanken. „Sie haben bei mir offene Türen eingerannt“, erklärt Dr. Holger Kempkens, Leiter des Diözesanmuseums.

Selbst vom Tuch fasziniert, freut er sich über das breite Besucherspektrum, das durchaus über den „normalen“ Museumsbesucher hinausgehe. Bamberg sei als Ausstellungsort besonders geeignet:

„Die Malteser – Ausstellung fügt sich nahtlos in die hier bereits vorhandenen Passionsreliquien ein – wobei das Tuch offiziell ja nicht als Reliquie bezeichnet werden soll, sondern als Ikone – aber wenn sie schon hier sind, können die Leute auch auf die anderen Schätze unserer Sammlung aufmerksam werden.“

Die offizielle Haltung der Kirche zum Grabtuch will der Orden auf keinen Fall in Frage stellen. Überhaupt wolle man nicht missionieren, sondern Fakten zeigen, betont Markus Nietert und räumt ein: „Schön wäre es aber schon, wenn sich der eine oder andere Besucher am Ende der Ausstellung fragen würde, welche Konsequenzen es für sein Leben hätte, wenn die Berichte der Bibel tatsächlich wahr wären.“

Papst Franziskus, aus Anlass der Ausstellung des Turiner Grabtuchs am Karsamstag 2013, sagte in einer Video-Botschaft: „Lassen wir uns also von diesem Blick berühren, der nicht unser Auge sucht, sondern unser Herz.“

Die Ausstellung ist noch bis zum 22.10.2017 im Bamberger Diözesanmuseum zu sehen. Informationen unter domtouristik-info@erzbistum-bamberg.de (CNA Deutsch)