Malteserorden: „Wir müssen einige Regeln erneuern

 

Der Souveräne Malteserorden sieht einer umfassenden Reform entgegen. Das sagte der neugewählte Großmeister Fra‘ Giacomo Dalla Torre del Tempio di Sanguinetto im Gespräch mit Vatican News.

Gudrun Sailer und Francesca Sabatinelli – Vatikanstadt

Im Mittelpunkt der Reform, die derzeit mit umfangreichen Beratungsprozessen einher geht, steht demnach unter anderem die Förderung des religiösen Lebens der Ordensangehörigen, ein modernes System wirtschaftlicher Verwaltung sowie die Rolle der Frau im Orden. Die institutionelle Krise, die der Malteserorden im Vorjahr durchlief, sei „anstrengend und herausfordernd“ gewesen, „sie hat uns alle zu mehr Nachdenken gebracht“, so der Großmeister. Der Orden habe die Krise aber auch als „wichtige Gelegenheit zur Weiterentwicklung“ wahrgenommen.

Mehrere hundert Ordensangehörige auf der ganzen Welt sowie zahlreiche Fachleute im Kirchenrecht seien bei den Arbeiten über die neue Ordensverfassung eingebunden, erklärte der Großmeister, der am 3. Mai seinen Amtseid abgelegt hat. Erste Auswirkungen seien bereits zu sehen, etwa in der Frage der Beteiligung von Frauen in der Ordensleitung: „Diesmal waren zum ersten Mal bei der Wahl des Großmeisters zwei Frauen vertreten, Präsidentinnen von Vereinen des Malteserordens, darunter jene aus Singapur. Dieses Zeugnis betrifft unsere geografische Entwicklung, unser Engagement, den unschätzbaren Wert, den die Damen in unserem Orden darstellen.“

Malteser sind heute in 120 Ländern vertreten

Die Beziehung zum Heiligen Stuhl bezeichnete Dalla Torre als „solide“. „Papst Franziskus verpasst keine Gelegenheit, uns seine Unterstützung zu versichern.“ Über den päpstlichen Delegaten Erzbischof Angelo Becciu bestehe regelmäßiger Kontakt.

Dalla Torres Vorgänger als Großmeister des Ordens, der Brite Matthew Festing (68), war Anfang 2017 auf Druck von Papst Franziskus zurückgetreten. Vorausgegangen waren Turbulenzen an der Spitze des Ordens. Der Souveräne Malteserorden ist dem Heiligen Stuhl unterstellt, zugleich aber ein eigenes Völkerrechtssubjekt.

Der Malteserorden sei in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen, „über jede Erwartung hinaus“, wie Dalla Torre festhielt. Zum Zeitpunkt der letzten Ordensverfassung 1961 habe der Orden mit 25 Ländern diplomatische Beziehungen unterhalten, heute seien es mehr als 100. Die Malteser seien heute in 120 Ländern auf allen Kontinenten.

“ Wir sehen eine systematische Verletzung des internationalen humanitären Rechts ”.

Dalla Torre sagte, der Malteserorden sei heute so stark wie nie zuvor seinem Gründungsmotto verpflichtet: Bezeugung des Glaubens und Dienst an den Armen und Kranken. Zu helfen werde aber immer schwieriger in einer sich rasch ändernden Welt. Eine dringliche Aufgabe sei es, das Hilfsnetz des Ordens anzupassen. „Wir sehen heute eine systematische Verletzung des internationalen humanitären Rechts: Schulen, Kirchen, Krankenhäuser sind Ziel von Angriffen. Wenn vor 100 Jahren der Großteil der von Konflikten Betroffenen Soldaten waren, so sind es heute Zivilisten: vor allem Frauen und Kinder.“

An diesem Punkt sei das diplomatische Netz des Ordens unentbehrlich, das keine politischen, sondern humanitäre Funktionen habe, um den Zugang zu Krisenregionen zu ermöglichen und Notleidenden Hilfe zu bringen. (Vatican News)

Eine menschlichere Welt bauen: Erster Humanitärer Weltgipfel in Istanbul

WHS_IstanbulISTANBUL – Ende Mai versammelte der erste Humanitäre Weltgipfel in Istanbul 9.000 Teilnehmer aus 173 UN- Mitgliedsstaaten: Vertreter aus der Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen. Das Ziel des Gipfels war, Strategien zur Eindämmung der weltweiten humanitären Krisen zu finden.

Es ist der erste Gipfel in diesem Umfang und seiner Art in der 70-jährigen Geschichte der Weltorganisation.

Ban Ki-Moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, will die Staatenlenker verpflichten, die Humanität in das Zentrum ihrer Politik zu stellen. Sie sollen alles Notwendige tun, bestehende Konflikte zu beenden und neue nicht entstehen zu lassen.

Der UN Chef zeigte sich entäuscht darüber, dass viele Regierungsvertreter nicht gekommen waren, besonders die der G7 Mitgliedstaaten, mit Ausnahme der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Auch der Heilige Stuhl und der Souveräne Malteserorden nahmen zusammen mit Führungspersönlichkeiten anderer religiöser Gemeinschaften und Repräsentanten unterschiedlicher Glaubensrichtungen am Gipfel teil.

Der “Aussenminister” des Vatikans, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin sagte: „Der Heilige Stuhl möchte mit seiner Anwesenheit die Wichtigkeit von Humanitärer Arbeit unterstreichen…und zum Ausdruck bringen, dass dabei immer der Mensch im Vordergrund stehen muss”.

Der früherer Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, António Guterres, sagte, dass die glaubensbasierten Organisationen immer an vorderster Front kämpfen – mit enormer Großherzigkeit und enormem Mut. “Sie verkörpern einen sehr wichtigen Teil des humanitären Geschehens rund um die Welt. Darüber hinaus wirken sie bewusstseinsbildend, prägen die öffentliche Meinung, damit die Regierungen ihre Verantwortung wahrnehmen, und humanitäre Arbeit besser unterstützen.“

Die Botschafterin des Malteserordens bei den Vereinten Nationen in Genf, Marie Therese Pictet-Althann unterstrich die Hoffnung, dass der Gipfel die Bedeutung religiöser Gemeinschaften und glaubensbasierter Organisationen in der humanitären Arbeit anerkenne und dass betont werde, wie wichtig sie sind.

Beobachter stellten fest, dass sich die Medien größtenteils auf politische Aspekte konzentrierten und den einfallsreichen, bunten Darbietungen einiger Hollywood-Berühmtheiten und -aktivisten, wie dem “James Bond”-Darsteller Daniel Craig und Schauspieler Forrest Whitaker. Weniger beachtet wurde so, dass in Nebenveranstaltungen und einer eigenen Sondersitzung der große Beitrag aufgezeigt wurde, den Religionen im Dienst der Menschheit leisten.

In seiner Rede unterstrich Albrecht Freiherr von Boeselager, Großkanzler des Malteserordens, dass es nun um Ergebnisse gehe. „Damit dieser Gipfel zu einem produktiven Ergebnis führt, müssen wir sicherstellen, dass die Ausführungen und Verpflichtungen, von denen wir gehört haben, in konkretes Handeln umgesetzt werden – im Namen all der Menschen, die Schutz und Hilfe von uns erwarten“.

Von Boeselager weiter: „Weil wir eine zunehmende Missachtung eindeutiger humanitärer Rechtsvorschriften beobachten, ist es wichtiger geworden, sich in Sachen Menschlichkeit auf die Werte zu verlassen, die in den verschiedenen Religionen grundgelegt sind. Wir hoffen, dass die Ergebnisse dieses Gipfels die Aufmerksamkeit der humanitären Liga auf diese Tatsache lenken.“

Michel Veuthy, Stellvertretender ständiger Vertreter des Malteserordens bei den Vereinten Nationen in Genf, hieb die Rolle des Ordens hervor: „Der Orden als Ganzes kann tatsächlich nicht nur als religiöse Organisation und humanitär Agierender, sondern auch aufgrund seines diplomatischen Status und internationalen Ansehens Regierungen, internationale Organisationen und religiöse Gemeinschaften zusammenbringen.“

Erzbischof Silvano M. Tomasi, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, war Mitglied der Delegation des Heiligen Stuhls in Istanbul. „Diese Konferenz beschäftigt sich umfassend mit der Tatsache, dass wir eine große Menschheitsfamilie sind, die eine neue Agenda für humanitäres Handeln braucht. Dieses neue Verständnis muss auf gegenseitiger Unterstützung und Toleranz aufbauen, vor allem aber auf Solidarität.“

Wie Kardinal Luis Antonio Gokim Tagle, President von Caritas Internationalis, betonte, „genügt [es] nicht, auf Katastrophen zu reagieren. Wir sollten unser Bestes tun, um zu verhindern, dass von Menschen verursachte Katastrophen das Leben und die Träume anderer Menschen zerstören.“

Am Dreifaltigkeitssonntag hatte Papst Franziskus eingeladen, für den Erfolg des Welthumanitätsgipfels zu beten und in seiner an den Gipfel gerichteten Botschaft sagte er: „Wenn wir von den Opfern und Leidenden lernen, werden wir eine menschlichere Welt bauen können.“

Dieser Bericht wurde von unserem Genfer Korrespondenten Christian Peschken, Pax Press Agency, verfasst. Der Bericht wird auch bei EWTN – Katholisches Fernsehen zu sehen sein im Rahmen des Magazins ‚Vatikano‘. Weitere Informationen zu Pax Press Agency, Genf unter www.paxpressagency.com (CNA Deutsch)