Für eine Chancengleichheit von Frauen gegenüber Männern hat sich Kurienkardinal Jean-Louis Tauran ausgesprochen. Frauen seien nicht allein zur Mutterschaft, sondern auch zur Wahrnehmung anderer gesellschaftlicher Aufgaben berufen, erinnert der Präsident des Päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog im Interview mit Radio Vatikan. Er äußerte sich am Rande der laufenden Vollversammlung des Dialogrates: „Die Frau hat nicht allein diese Aufgabe der Zärtlichkeit, der Mutter, sondern auch ihren Platz in der Gesellschaft. Frauen sind in der Lage dazu, Verantwortlichkeiten zu haben wie Männer.“
Was in den Ohren westlicher Gesellschaften wie eine Binsenweisheit klingen mag, ist im Großteil der Welt kaum verwirklicht. Dort sind Frauen in Rechten und Chancen benachteiligt, obwohl vor allem sie es sind, die entscheidend zu Stabilisierung und Ausgleich in Gemeinschaften beitragen. Die Rolle von Frauen bei der Friedenserziehung ist Thema der Vollversammlung des Päpstlichen Dialogrates, die am Freitag mit einer Papstaudienz abschließt. Die Teilnehmer spannen einen weiten Bogen von Frauenfiguren der Bibel bis zu heutigen Friedensaktivistinnen und Akteurinnen in Wirtschaft und internationalem Recht. Dazu Tauran: „Es ist gut, diese Perspektiven wahrzunehmen, um einen vollständigen Blick auf die Frau zu erhalten, verstanden als gleichwertig zum Mann gegenüber Gott und in der Gesellschaft. Frauen müssen die gleichen Verantwortlichkeiten haben, die Möglichkeit, dieselben Verantwortlichkeiten wahrzunehmen.“
Im Aufgabenfeld der Friedenserziehung sieht der Kardinal bei Frauen ein besonderes Potential, das Tauran von der spezifischen Disposition der Mutterschaft ableitet. „Der Papst bezieht sich oft darauf: Die Frau hat eine essentielle Zärtlichkeit, weil sie Mutter ist – ein Fähigkeit des Zuhörens, der Sorge um und des Interesses für andere. Und das ist eine universelle Botschaft.“
Die italienische Ordensfrau und Sozialwissenschaftlerin Raffaella Petrini, eine der Vortragenden bei der Plenarsitzung, sieht dieses weibliche Potential als wohltuendes Gegengewicht zum heute in den modernen Gesellschaften vorherrschenden technokratischen Paradigma: „Es gibt Fähigkeiten, die die Frau hat: zum Beispiel ihre physische Strukturiertheit, Leben auszutragen und dieses verletzliche Leben von Anfang an zu versorgen. Dies ist eine Fähigkeit des Gebens und Umsorgens derjenigen, die schwächer sind, und bedeutet auch, die Grenzen der Verfasstheit der Menschen zu akzeptieren – diese Akzeptanz stellt das technokratische Paradigma in Frage.“
Es gehe hierbei nicht um eine Verteufelung des heutigen technischen Fortschrittes, präzisiert Petrini gegenüber Radio Vatikan – dieser sei ja schließlich auch „Ausdruck der intellektuellen Fähigkeiten des Menschen“. Allerdings sieht sie auch Gefahren bei dieser Mentalität, die manipulative Merkmale aufweise: „Sie bringt dazu, die anderen, Dinge und Menschen, als Objekte zu sehen, die sich entsprechend der eigenen Vorlieben und Ziele modifizieren und verändern lassen. Auf diesen Aspekt weist auch Papst Franziskus sehr stark hin: wir haben es hier mit einer fast epistemologischen Logik zu tun, die auf Beziehungen angewandt wird und dabei die Begrenztheit der Dinge und der Menschen vergisst.“ (rv)