Zu Gast bei Radio Vatikan war an diesem Freitagnachmittag der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Wir haben mit ihm über die Papstreise, den Dialogprozess und das Theologenmemorandum gesprochen.
Deutschlandreise des Papstes
Bundesministerin Annette Schavan hat Radio Vatikan gegenüber im Interview gesagt, der Papst sei „innerlich sehr beschäftigt" mit seinem bevorstehenden Deutschlandbesuch. Haben Sie das bei Ihrer Audienz auch so erlebt?
„Ja. Ich konnte ausführlich mit dem Heiligen Vater über seinen Besuch sprechen, wir haben die einzelnen Stationen miteinander besprochen. Er ist auch sehr interessiert daran, welche Botschaft in Berlin von ihm erwartet wird, denn die Rede im Deutschen Bundestag ist etwas Besonderes und für ihn eine Chance, dem deutschen Volk, seinem Volk, einiges zu sagen. Das beschäftigt ihn sehr bewusst. Ihn beschäftigt auch die Frage, wie katholische Kirche in Berlin lebendig wird und wie der Gottesdienst, den wir dort feiern, für möglichst viele Berliner zu einem Zeugnis des Glaubens wird.
Ein besonderer Schwerpunkt ist für ihn dann die Begegnung mit der evangelischen Kirche in Erfurt. Der Papst selber hat Wert darauf gelegt, dass mehr Zeit eingeplant wird für die Begegnung mit den Vertretern der evangelischen Kirche, dass es einerseits ein Gespräch gibt und zum anderen auch eine gemeinsame Form des Gottesdienstes, des Gebetes – weil er zeigen will, dass wir nicht nur die sind, die miteinander sprechen oder gar übereinander sprechen, sondern vor allem auch die, die gemeinsam zu Gott sprechen und damit gemeinsam auf einem Weg sind. Da überlegt er sich sehr intensiv, welche Botschaft von ihm in Erfurt erwartet wird und welche er dort mitbringen kann.
Dann ist für ihn auch eine schöne Station Freiburg selber, was der Schwerpunkt sein wird. Dort feiern wir den großen Gottesdienst am Sonntag, am Abend zuvor ist eine Vigilfeier mit der Jugend, auf die er sich besonders freut. Er hat sich erinnert an eine Vigilfeier beim Katholikentag 1978 in Freiburg mit Mutter Teresa und hat auch noch hinzugefügt, „Das war zur Zeit von Papst Johannes Paul I.". Das ist ihm sehr lebendig in Erinnerung.
Diese Fragen beschäftigen ihn, und er ist dankbar, wenn wir ihm auch unsere Hinweise geben, unsere Wünsche formulieren, unsere Anregungen. Er sagte mir, dass er dann im August in Castelgandolfo genauer überlegen wird, was Herausforderung, was Chance und was die Botschaft ist, so dass die beiden Schwerpunkte, die Frage nach Gott und nach der Zukunft, auch wirklich durchkommen."
Der Dialogprozess
Herr Erzbischof, die deutschen Bischöfe haben einen Brief an die Gemeinden geschrieben. Gab es da schon erste Rückmeldungen oder Reaktionen?
„Wir wollen die Gemeinden damit einladen, den Weg des Dialoges und Gespräches mitzugehen und sich engagiert daran zu beteiligen. Zugleich wollen wir das tun im Bewußtsein, dass wir gemeinsam auf dem Weg sind, gemeinsam auf Gott und auf einander hören wollen.
Ich habe verschiedene Echos gehört, was mich freut – denn es zeigt, dass Interesse da ist.
Es sind viele dankbar dafür, dass wir gemeinsam einen Weg nach vorne gehen wollen und dass die Fragen, die da sind, angesprochen werden sollen und dass wir schauen wollen, wie uns Gott den Weg in die Zukunft zeigt. Es sind auch manche Echos gekommen, die mir sagten, dass sie das noch etwas konkreter erwartet hätten, dass wir noch konkreter hätten sagen können, was die Herausforderungen sind, aber wir wollten ja nicht als Bischöfe die Vorgaben machen, um welche die Themen es geht, sondern wir wollen einladen, gemeinsam diesen Weg zu gehen und dann die großen zentralen Anliegen im Blick auf das Evangelium miteinander zu klären versuchen… und uns dabei Wege zeigen zu lassen, vor allem wenn wir auf einander und gemeinsam auf Gott hören."
Auffällig war, dass Sie vor einer Emotionalisierung der Debatte gewarnt haben. Was ist daran so gefährlich?
„Die Gefahr besteht, dass jeder Forderungen stellt, die nach seiner Weise erfüllt werden müssen, bevor man miteinander spricht. Das halte ich für gefährlich, denn man muss erst miteinander sprechen, um dann auch zu erkennen, wie die Position des anderen ist, was meine Position ist und wie ich die dann auch darlegen kann. Wir sollten nicht zuerst sagen, dass dies oder jenes erfüllt sein muss, bevor wir uns auf den Weg machen. Wir sollen den Mut haben, zu sagen: ‚Wir machen uns gemeinsam auf den Weg’. Emotionen sind in Gefahr, den anderen zu verletzen, sind in Gefahr, dass man sich selber verschließt, und nur auf sich selbst zu sehen und bei sich selbst zu verharren.
Die Gefahr ist doch die: Man kann auf Barrikaden nicht miteinander diskutieren, und Emotionen können leicht auf Barrikaden führen. Also ist das Anliegen, sachlich, menschlich so miteinander zu sprechen, dass ich dem anderen dabei ins Auge sehen kann, ohne ihn zu verletzen. Dann können wir auch das Gemeinsame viel besser finden, denn Verletzungen verschließen."
Wie macht man das? Wie komme ich über den moralischen Appell, offen miteinander zu reden, hinaus? Wie strukturiere ich das so, dass alle Parteien eben nicht diese Emotionalisierung betreiben?
„Wir machen in der Erzdiözese Freiburg den Versuch über eine Hilfe, die wir geben, die „Dialogbox". Dort wird angeregt, wie man miteinander spricht, welche Fragen wir stellen, wie wir aufeinander zugehen. Und wir laden auch ein, das Gespräch über all diese Fragen schon mit einer geistlichen Besinnung und im Gebet mit einer Besinnung auf die Heilige Schrift zu beginnen.
Und wenn da die Positionen aufeinander stoßen, zu fragen, was Gott mir durch die Position des anderen sagen will. Dass wir einander ernst nehmen und auf diese Weise das Gemeinsame sehen, das uns verbindet im christlichen Glauben in unserer katholischen Kirche. Sich für den anderen öffnen heißt auf den anderen hören, seine Position ernst nehmen und kennen lernen wollen. Und dann kommen wir weiter."
Das Theologenmemorandum
Zu der ganzen Debatte gehört auch das Theologenmemorandum. Wo stehen wir da im Augenblick?
„Die Theologen haben sich zu Wort gemeldet und haben Punkte benannt, die eigentlich überall bekannt sind, und zwar Forderungen, die viele Leute in der Kirche auch stellen. Sie haben das noch einmal namhaft gemacht. Ich hätte mir natürlich von den Theologen erwartet, dass sie auch theologisch arbeiten, etwa die große Frage nach Gott stellen, auch die große Frage stellen, wie es zu dieser Säkularisierung kommt, in der wir leben, denn die hat ja Wurzeln, die weit, weit zurück reichen. Oder auch die Frage theologisch zu stellen, wir wir heute einen Weg nach vorne gehen können – und was ist nun heute die Chance des Glaubens, wie kann ich im Heute glauben, wie kann ich heute über Gott sprechen, wie kann ich heute die Wahrheiten verkünden, um die es uns allen geht? Das sind für mich die ersten und die grundlegenden Fragen.
Die anderen Fragen werden wir auch ansprechen im Laufe des Dialogsprozesses und schauen, wo die Positionen der Kirche klar sind – darüber braucht man nicht mehr zu sprechen, denn die Wertschätzung der Ehe ist für uns selbstverständlich –, dann aber auch die anderen Fragen zu stellen.
Es wird sicher Situationen geben, wo wir sagen, dass wir hier als Kirche in Deutschland nicht weiter kommen: Hier sind weltkirchliche Fragen angesprochen, die auch nur auf der Ebene der Weltkirche entschieden werden können. Dann gibt es theologische Positionen, über die man miteinander sprechen und die man auch weitergeben kann. Es wird aber auch Situationen geben (wenn ich etwa das Verhältnis Priester und Laien anspreche oder wenn ich an manche Strukturfragen der Kirche in Deutschland denke), wo wir selber Entscheidungen treffen und Wege nach vorne gehen können."
Memorandum – Im Gespräch mit dem Papst
Haben Sie auch mit dem Papst über das Memorandum gesprochen?
„Ja, ich habe auch mit dem Papst darüber gesprochen und meine Position gesagt. Ich habe auch dargelegt, dass ich bei uns in Freiburg das Professorenkollegium der theologischen Fakultät der Universität zum Gespräch eingeladen habe. Wir haben miteinander gesprochen und wir haben vereinbart, beim nächsten Gespräch, das im Mai sein wird, über die Frage Theologie und Lehramt zu sprechen. Wir wollen schauen, wie wir mit diesen Fragen weiter kommen."
Der Dialogprozess: 300 Christen treffen sich in Mannheim
Mit diesen Vorstellungen machen Sie auch den ersten Schritt im Juli in den Gesprächsprozess der Bischofskonferenz hinein.
„Wir wollen im Juli etwa 300 Personen aus allen deutschen Diözesen einladen zu einem gemeinsamen Treffen von zwei Tagen in Mannheim, um dann einzusteigen mit diesen Fragen: Wie wir aufeinander hören, und was es heißt, im Heute zu glauben. Dass wir Erfahrungen zusammentragen, dass wir Ängste zusammentragen, dass wir auch Wege aufzeigen, die wir bisher gegangen sind, um zu schauen, wie der Weg nach vorne weiter geht."
Herr Erzbischof, herzlichen Dank für das Gespräch. (rv)
Schlagwort: Theologen-Memorandum
Das Theologen-Memorandum: Wie beginnt man einen Dialog?
Eine unendliche Geschichte – das Memorandum der deutschsprachigen Theologen zur Reform der Kirche. Mittlerweile gehört es für jeden Theologen und Bischof zum Prozedere, in Interviews auf das Memorandum angesprochen zu werden, so gibt es immer wieder kleine Meldungen über persönliche Einschätzungen und das Thema verlängert sich in den Medien. Dabei müssten wir auch einmal über die Form der Debatte, wie sie im Augenblick geführt wird, nachdenken. Das jedenfalls ist die Ansicht von Manfred Lütz, Psychiater und katholischer Theologe. Als Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben war er kürzlich in Rom und hat sich mit Radio Vatikan auch über die Polemik dieser Debatte unterhalten. Lütz ist in den Medien vorgeworfen worden, er hätte die Autoren des Reformpapiers aufgefordert, die Kirche zu wechseln und evangelisch zu werden.
„Das stimmt überhaupt nicht. Was ich – auch psychologisch – sehr interessant fand: Ich habe in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Anfang Februar einen absichtlich unpolemischen Beitrag in eine zugegebenermaßen polemische Debatte hinein geschrieben und habe anschließend die Feststellung gemacht, dass das gar nicht geht. Die Leute verstehen auch einen unpolemischen Beitrag in einer polemischen Debatte polemisch."
Das ist aber nicht das einzige, was Lütz an der Debatte schwierig findet. Er hatte den Vergleich der Reformpositionen mit den Reformationspositionen gemacht, was die Autoren des Papiers aber als absurd empfinden würden. Und das habe einen Grund:
„Weil – wie ich glaube – es um Macht geht und um Machtlosigkeit. Ich glaube, dass Theologieprofessoren in Deutschland sehr viel Macht haben – wenn sie einmal Professor sind, können sie eigentlich machen, was sie wollen, und lehren, was sie wollen. Ihnen kann keiner mehr was. Andererseits ist es das Problem dieser Professoren, dass Theologieprofessoren gar nicht mehr wahrgenommen werden. Sie sind völlig irrelevant. Die großen intellektuellen Debatten in Deutschland finden ohne katholische Theologieprofessoren statt. Sie finden sie nicht in den großen Zeitungen und in Talkshows sowieso nicht, die Talkshows wollen katholische Positionen und laden dann Bischöfe ein.
Ich mache mich darüber nicht lustig. Ich finde, dass das eine wirkliche Tragödie ist. Das sind intelligente Leute, die forschen und ein Engagement für die Kirche haben."
Kirchenthemen kommen vor allem bei jungen Leuten nicht vor, so Lütz, eine bestimmte Generation bringe immer wieder dieselben Anliegen vor. Lütz hat dafür einen Begriff entwickelt:
„Ich nenne das die Konservativität der Progressiven in der katholischen Kirche." Nach Lütz gibt es zwei konservative Milieus in der Kirche: die einen konservierten das, was sie das Katholische nennen. „Und das andere ist immer dagegen, aber hat immer Forderungen, von denen die Leute genau wissen, dass sie nicht durchschlagen werden. Dann kann man konservativ im Klageritus verharren, dann ändert sich nichts."
Das habe Folgen für die Art der Debatte. Man könne die Dialogbereitschaft immer wieder fordern, aber bewegen könne sich nichts, schon allein der Form der Debatte wegen.
„Alle, die unterschrieben haben, wissen doch, dass der Zölibat nicht wegen der Debatte aufgehoben wird. Und dadurch, dass wir uns jetzt dauernd darüber ärgern, dass er nicht aufgehoben wird, wird es ja auch nicht besser. Das wissen die alle.
Man kann kaum mehr Argumente austauschen in der Hoffnung, dass die andere Seite das als Argument wahrnimmt und nicht als Attacke. Wenn Sie das Memorandum einmal psychologisch durchschauen: Da wird mit einer Sprache gearbeitet und auf die Kirche eingeprügelt, das macht nicht viel Spaß, dann mit einer solchen Aggressivität zu reden."
So komme nicht das zustande, was die Theologen mit ihrem Papier und viele Befürworter danach einfordern: der Dialog.
„Ein Dialog beginnt nie, wenn beide Seiten dialogbereit sind, das geht psychologisch gar nicht. Ein Dialog beginnt immer einseitig. Immer beginnt einer, mit einem anderen Menschen zu sprechen, und je wertschätzender er das tut, je respektvoller er das tut, desto eher wird der andere Lust haben, zu antworten. So beginnt Dialog." (rv)