Papst: „Theologie macht man miteinander, nicht gegeneinander

Theologie macht man miteinander, nicht gegeneinander. Daran hat Papst Franziskus an diesem Freitag vor italienischen Theologen im Vatikan erinnert.

Anne Preckel – Vatikanstadt.

Die italienische Theologen-Vereinigung „Associazione Teologica Italiana“ (ATI) feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen; heute gehören ihr über 330 Theologen und Theologinnen an. Der Papst empfing Vertreter der Vereinigung an diesem Freitag im Vatikan in Audienz. Der gemeinschaftliche Stil sei grundlegender Teil theologischen Suchens, bekräftigte er in seiner Ansprache:

„Denn man kann nicht denken, der Wahrheit eines Gottes der Liebe und ewigen Gemeinschaft des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes (…) zu dienen, wenn man das auf individualistische, partikuläre Weise tut – oder, schlimmer noch, mit einer Logik der Konkurrenz. Die theologische Forschung ist notwendig eine persönliche Suche, doch eine Suche von Mitgliedern einer theologischen Gemeinschaft, die so groß wie möglich ist und zu der sich alle wirklich zugehörig fühlen, einbezogen in solidarischen Beziehungen und auch echter Freundschaft. Das ist kein Zubehör der Theologie!“

Kreative Treue

Der Papst rief die Theologen und Theologinnen dazu auf, das Zweite Vatikanische Konzil bei ihrer Arbeit als Referenzpunkt zu nehmen. Mit „kreativer Treue“ sollten sie sich darum bemühen, die Glaubensbotschaft für die Welt von heute authentisch aufzubereiten. Auch heute erweise die Theologie der Kirche einen kostbaren Dienst. Gleichwohl seien akademische Kurse für einen authentischen Glauben nicht zwingend notwendig, erinnerte der Papst:

„Es gibt einen Sinn für die Realitäten des Glaubens, der dem ganzen Gottesvolk gehört, auch jenen, die keine besonderen intellektuellen Mittel haben, um das auszudrücken. Diesem Empfinden muss man zuhören, man muss es erforschen. Und es gibt auch sehr einfache Menschen, die diese ,Augen des Glaubens‘, diesen Blick, zu schärfen verstehen. Es ist dieser lebendige Glaube des heiligen und treuen Gottesvolkes, dem sich jeder Theologe zugehörig fühlen und von dem er sich auch unterstützt, transportiert und umarmt fühlen sollte.“

Eine notwendige theologische Durchdringung des Glaubens stehe dazu in keinem Widerspruch, hielt der Papst fest. In der heutigen Zeit müsse Theologie vor allem einer „Kirche im missionarischen Aufbruch“ dienen, die den Menschen „das Zentrum und den tiefsten Kern des Evangeliums“ vor Augen führe. Die theologische Forschung sei heute eine „Aufgabe der Wesentlichkeit“, formulierte der Papst. Sie sei „im Zeitalter der Komplexität und eines beispiellosen wissenschaftlichen und technischen Fortschrittes“ sowie angesichts drohender Verfälschungen bei der Glaubensweitergabe unerlässlich.

„Damit die Kirche den Frauen und Männern von heute das Zentrum des Evangeliums weiter nahebringen kann, damit die Glaubensbotschaft wirklich die Menschen in ihrer Einzigartigkeit erreicht und die Gesellschaft in all ihren Dimensionen durchdringt, ist die Aufgabe der Theologie unabdingbar – mit ihrem Bemühen, die großen Themen des christlichen Glaubens innerhalb einer zutiefst verwandelten Kultur neu zu denken.“

Mit anderen Disziplinen Dialog aufsuchen

Papst Franziskus ermutigte die Glaubensforscher, sich in Dialog mit anderen Disziplinen und mit Vertretern anderer Kirchen zu begeben. Themenfelder und Debatten, zu denen Theologen einen wertvollen Beitrag leisten könnte, seien zum Beispiel ökologische Fragen und Entwicklungen in den Neurowissenschaften und der Bioethik, aber auch gesellschaftliche Missstände wie die immer größer werdende soziale Ungleichheit und die globalen Migrationsbewegungen mit all ihren Herausforderungen.

Wesentlich für die Theologie sei das Staunen, fügte der Papst dann in freier Rede an: „Das Staunen, das uns zu Christus bringt, Theologie staunend betreiben.“ Auch sei der Theologie ein Wissenschaftler „auf Knien“, betonte Franziskus weiter: „Theologie auf Knien betreiben, wie die großen Kirchenväter. Sie dachten, beteten, beteten an… das ist die starke Theologie, Fundament der gesamten theologischen Entwicklung des Christentums.“ Und schließlich: „Theologie in der Kirche betreiben, im heiligen treuen Gottesvolk, das – und hier benutze ich ein nicht-theologisches Wort – den ,Riecher‘ des Glaubens besitzt, diesen sensus fidei, der im Glauben nicht irren kann.“ (vatican news)

Menschen in der Zeit: Kardinal Gianfranco Ravasi

Zum 70. Geburtstag. Eine Sendung von Aldo Parmeggiani
(Ausstahlung in den Sendungen am 14. und 21. Oktober 2012)

Herr Kardinal, Sie haben mit elf Jahren begonnen – auf eigene Faust – Griechisch zu lernen. Das kommt nicht sehr oft vor. Heute beherrschen Sie eine Vielzahl von Sprachen. Ist Ihnen dies alles in die Wiege gelegt worden?

„Ohne Zweifel gibt es dieses Geschenk, diese Gnade – nicht nur in der Theologie, sondern auch auf dem Gebiet der Kunst, der Kultur. Das wird auch Sonderbegabung genannt und ist ganz einfach als ein Geschenk zu betrachten, ein Geschenk, das allerdings immer auch weiter gepflegt werden muss. Ich bin kein Genie, aber ich habe sicherlich ein Erbe aus der typisch klassischen Kultur mitgeschenkt bekommen, ein Erbe, das den Namen Neugierde mitträgt. Das heißt, ich hatte immer den Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen, Deshalb habe ich in den verschiedensten Kulturbereichen der Menschheit meinen Weg gesucht."

Sie wollten Professor für Griechisch und Latein werden. Haben aber nach dem Gymmnasium den Entschluss gefasst, Priester zu werden. Was war da geschehen? Gab es da ein Damaskuserlebnis?

„Wenn ich über meine Berufung etwas beichten darf, muss ich auf ein Datum hinweisen, das bei unseren Hörern sicher auf Verwunderung stoßen wird: ich war nämlich erst vier Jahre alt, als ich eine Erfahrung machte, die ich bis heute im Innersten meines Herzens trage, auch wenn ich deren Bedeutung erst später erkannte. Damals lebte noch mein Großvater, mit dem ich sehr eng verbunden war.
Ich erinnere mich noch ganz genau an die wunderbare Abendstimmung, die Hügellandschaft und die Talebene, durch die gerade pfeifend ein Zug fuhr. Ich weiß nicht warum – ich kannte ja noch nicht die Erzählung Pirandello’s vom ‚Pfiff des Zuges’ (Il fischio del treno) – aber plötzlich überfiel mich ein tiefes Gefühl der ….Unzulänglichkeit, der Melancholie, die in mir spontan den Wunsch aufkommen ließ, mich an etwas zu klammern, an etwas mir noch Unbekanntes, das über allen Dingen zu schweben schien. Als Kind suchte ich wahrscheinlich die Zuwendung eines Mitmenschen, eine Sicherheit. Letzten Endes aber war es die Sehnsucht nach der Unendlichkeit. Also diese Episode erachte ich als den Augenblick meiner Berufung."

In der Folge weist Ihr ‚curriculum vitae’ in der kirchlichen Laufbahn einen ständigen und steilen Weg nach oben auf: bis zum Kardinalshut. Hätten Sie sich dies als einfacher Priester jemals vorstellen können?

„Da dieses Gespräch ein sehr persönliches zu werden scheint – sagen wir eine Art öffentliche Beichte vor einem Publikum, das ich sehr schätze, ich bin nämlich ein leidenschaftlicher Verehrer auch der deutschen Kultur – will ich ganz offen sprechen und auf einen Aspekt hinweisen, der nicht meine Tugendhaftigkeit unterstreichen soll, sondern der ganz einfach auf Tatsachen beruht: ich habe nie an meine Karriere gedacht oder sie herbeigewünscht. Ich habe nie meinen Lebenslauf, der sich erst in der letzten Phase meines Daseins so erstaunlich entwickelt hat, auf diese Weise angestrebt.
Mein Traum war immer – außer dem Unterrichten – in der Forschung auf wissenschaftlichem Gebiet tätig zu sein. Und in der Tat konnte ich dies auch lange Zeit ausführen. Den Weg nach Rom – die große Stadt der Berufungen – hatte ich nicht geplant, obwohl mich dann meine Forschungsarbeit dorthin geführt hat. Diese letzte Phase in meinem Leben – das muss ich zugeben – ist für mich wirklich eine Überraschung im wahrsten Sinne des Wortes."

Als hervorragender Bibelkenner und Exeget haben Sie Ihre Wissenschaft immer auf Fakten aufgebaut. Ihr wichtigstes biblisches Anliegen scheint – mit Hilfe der Psychologie, Soziologie, Anthropologie, Archäologie und Theologie – darauf ausgerichtet zu sein, zu beweisen, dass der wahre Jesus mehr als der historische Jesus ist ?

„Im Rahmen meiner Tätigkeit als Dozent für Exegese habe ich vor allem zwei Linien herausgearbeitet: einerseits natürlich jene Linie des biblischen Glaubenstextes – eine Art Fanal auf dem Lebensweg des Gläubigen – und zweitens habe ich mich sehr eingesetzt für eine geschichtliche Interpretation des biblischen Textes und dessen Inkarnation, in der Tat: schlagen wir irgend eine Seite der Bibel auf, dann ist es nicht schwer, eine Stelle über den Krieg oder eine klagende Gestalt zu finden, wir stoßen auf den Schrei Hiobs, irgendwie auf die Leere des Kohelet, ja auf Jesus Christus selbst, der in der Sprache für einen beschränkten Kulturraum spricht. Seine 35 Gleichnisse sind mit Sicherheit eine Art Spiegel eines Horizonts, in dem er selbst eingebunden war.
Die Bibel muss also unter dem Aspekt ihrer sozialen, exitentiellen, archäologischen, geografischen und historischen Koordinaten betrachtet werden, die die Inkarnation betreffen. Das heißt, sie gehören zu dem Wort, das Fleisch geworden ist. Unter anderem befindet sich in Goethes Faust eine diesbezügliche außerordentliche Analyse mit einem wunderbarem Wortspiel. Wir müssen also anerkennen, dass Christus als Fixpunkt der Heiligen Schrift sicherlich auf der einen Seite der geschichtliche Jesus, gleichzeitig aber auch das Wort, der logos, ist. Er ist das transzendente Wort, aber er ist auch Jesus von Nazareth. Deshalb die Notwendigkeit, im realen Jesus – wie Benedikt XVI. sagt – sowohl den logos, das Fleisch, die Zerbrechlichkeit, die Göttlichkeit, als auch die konkrete Wirklichkeit, das Absolute, das Ewige, die Geschichte, die Unendlichkeit und den Raum zu sehen."

Würden Sie uns den eben benannten Passus über Goethes Faust noch einmal kurz erklären?

„Goethe präsentiert den Faust im ersten Abschnitt, einem der schönsten Texte der westlichen Kultur überhaupt: Am Anfang war das Wort. Dann aber fügt er noch etwas hinzu und übersetzt: Am Anfang war der Sinn, die Bedeutung, der Sinn des Daseins, des Seins. Und fügt vielleicht noch eine Steigerung hinzu, denn es ist ein Wort, das etwas kreiert, es ist ein Wort, das die Geschichte prägt: nämlich das Wort ist die Kraft. Und schließlich fasst er zusammen; am Anfang war die Tat. Goethe beurteilt dies aber negativ. Was also ist das Wort Gottes? Es ist gleichzeitig Wort, Bedeutung, Macht, Tat."

Wie kann man einem modernen Menschen erklären, dass es die ‚Vorsehung’ wirklich gibt?

„Dem modernen Menschen kann man vor allem zeigen, dass jene obskure Realität, das Böse, in Wirklickeit eine außerordentliche Wachstums-Komponente der Menschheit ist. Ich möchte das so erklären: wenn wir nicht das Böse hätten, die Begrenzung, die Vergänglichkeit, die Unglückseligkeit, gäbe es vielleicht 80 Prozent weniger Weltliteratur. Wir hätten keinen Dostojewski, wir hätten keinen Goethe, wir hätten keinen Dante. Vergessen wir nicht, dass auch im Bösen ein Sinn enthalten ist.
Das Buch Hiob zeigt genau auf, dass, auch wenn Gott scheinbar deine von Rationalität gezeichneten Probleme nicht unmittelbar löst, diese dennoch Teil eines meta-rationalen und nicht irrationalen Planes sind. In diesem Licht muss, glaube ich, die Vorsehung betrachtet werden. Manchmal hilft die Vorsehung ja auch, konkrete Probleme zu lösen, aber sie vermittelt immer ein transzendentes Gefühl, in dem wir allerdings nicht immer den Sinn erkennen."

Ist die Theologie demnach eine Wissenschaft?

„Wir wissen, dass Johannes Paul II. eine Enzyklika geschrieben hat, die nicht nur für Theologen wichtig ist: ‚Fides et Ratio’. Sie enthält das berühmte Bild der Erkenntnis. Die Erkenntnis braucht, um in das Geheimnis eintreten zu können, zwei Flügel. Den Flügel der überlieferten Wahrheit und den Flügel jener Wahrheit, die durch die Vernunft errungen wurde. Aus diesem Grund müssen wir immer anerkennen, dass es eine wissenschaftliche Methotologie der Theologie gibt.
Sicher, der Glaube stellt einen Schritt weiter dar. Der Heilige Augustinus drückt das mit einem Satz aus, der uns skandalös erscheinen mag, in Wirklichkeit jedoch blitzgescheit ist: ‚Wenn der Glaube nicht gedacht ist, dann ist es kein Glaube!’. Also muss der Mensch dieses große Mittel des Denkens benützen, und dieses Mittel trägt ihn vor das Tor des Lichtes, hinter dem dann der Weg des Glaubens erst beginnt. Die Logik dieses Glaubens ist dann nicht mehr die Logik der Vernunft. Deshalb ist die Theologie eine Wissenschaft auf zwei Ebenen: zuerst kommt die Fundamentaltheologie, dann folgt der Weg der Mystik, der jedoch nicht extatisch, also sinnlos, sondern ein Weg der höheren Logik ist: mehr oder weniger ist dies auch der Weg der Erfahrung der Liebe und der Erfahrung der Ästhetik."

Wissenschaft und Theologie sind nicht immer einer Meinung: Wo ist die Grenze zwischen der Wissenschaft und dem Glauben? Wo hingegen treffen sie sich?

„Wir tragen auf unseren Schultern eine Erfahrung, die oft als kontrastreiche Erfahrung zwischen dem Glauben und der Wissenschaft bezeichnet wird. Immer wieder hieß es im 19. Jahrhundert aus dem Lager der Positivisten: die einzigen Wahrheiten sind jene, die bewiesen werden können.
Offensichtlich wurden damit alle theologischen und im engeren Sinne auch philosophischen Überlegungen ad acta gelegt.
Heute wird diese positivistische Haltung auch von nichtglaubenden Wissenschaftlern nicht mehr vertreten. Vielmehr gibt es nach ihrer Ansicht mindestens zwei verschiedene Erkenntnisebenen: der Mensch besitzt auch eine Erkenntnisebene zum Beispiel auf dem Gebiet der Poesie, der Kunst, des Verliebtseins, was auch in der Theologie, der Philosophie, im Glauben, der Fall ist. Ein großer amerikanischer Wissenschaftler, Steven Gould, jüdischer Abstammung und Atheist, er ist 2002 gestorben, hat eine Formel geprägt: zwischen der Theologie und der Wissenschaft laufen paralell zwei verschiedene Strömungen, die nicht miteinander verbunden werden können. Sie können also untereinander nicht in Konflikt kommen. Da sie zwei verschiedene Wege gehen.
Das ist bereits die Anerkennung und Würdigung einer Wissenschaft, die außerhalb des Bereiches der Physik liegt. Heute liegt der Schwerpunkt immer mehr auf dem Gebiet des Dialogs. Denken wir an Einstein, der ausdrücklich unterstrich, dass er bei der Ausarbeitung seiner Relativitätstheorie die Philosophie in Anspruch nehmen mußte. Die Versuchs-Wissenschaft über das Konzept von Zeit und Raum reichte nicht mehr aus. Wir müssen also anerkennen, dass Wissenschaft und Glauben gegenseitig ihre Autonomie respektieren müssen, gleichzeitig aber auch einen Dialog führen können, da sowohl das Subjekt als auch das Objekt ihrer Forschung einzigartig sind."

Herr Kardinal, was ist dieser ‚Vorhof der Völker’, den der Papst sich gewünscht und Ihnen anvertraut hat? Welches Ziel strebt diese neue Einrichtung an? Ist es ein Ort, an dem Nichtglaubende bekehrt werden sollen?

„Der Vorhof der Völker war einst ein offener Raum vor dem Tempel von Jerusalem, zu dem auch die Heiden Zutritt hatten. Gegenüber befand sich der Hof der Israeliten. Und so konnten sich die beiden verschiedenen Gemeinschaften gegenseitig in die Augen schauen.
Im Jahre 2010 hatte Papst Benedikt den Wunsch geäußert, diesen Raum im Bereich unserer Kirchen wieder einzuführen. Es ist ein offener Raum, in dem der Wind der Gedanken, der Wind des Geistes, der Religion und der Forschung weht. Wir haben inzwischen Dutzende von Begegnungen in aller Welt in diesen ‚Vorhöfen der Völker’ veranstaltet und hier glaubende und nichtglaubende Persönlichkeiten versammelt, die sich mit den großen Fragen der Menschheit befassen. Ein großer Philosoph des 19. Jahrhunderts, Søren Kierkegaard, sagte: ‚Wir befinden uns wie auf einem Schiff, das mittlerweile von einem Koch gesteuert wird. Das, was der Kapitän durch den Lautsprecher bekannt gibt, ist nicht mehr die Route, sondern das, was wir morgen essen werden’. In einer Welt, in der nur mehr die Mode, das Essen, der Sex und nichts anderes mehr eine Rolle spielen, muss es Stimmen geben, die dir einen Sinn vermitteln. Das ist der Grundgedanke des ‚Vorhofs der Völker’."

Sie sind ein bedeutender Kommunikator des Sakralen, ein hervorragender Biblist. Sie suchen das Gespräch mit der säkularisierten Welt, mit den Atheisten, den Agnostikern. Sie haben in den vergangenen zwei Jahren bereits in Paris, Bologna, Bukarest, Florenz, Rom, Assisi, Tirana, Mexikostadt, Palermo und demnächst in Berlin dieses universale Gesprächsforum mit Menschen verschiedener Kulturen, Sprachen und Religionen inszeniert. Gibt es dazu einen roten Faden?

„Ich denke das rechte Stichwort dazu lautet ‚Dialog’. Was bedeutet Dialog auf griechisch? Es bedeutet: dia -zwei, Logos – Gespräche, Gespräche die sich kreuzen, sich begegnen. Es bedeutet auf griechisch aber ebenso: das Gespräch vertiefen.Und darüber muss ernsthaft nachgedacht werden. Pascal sagte einmal: ‚Das Prinzip der Moral heißt in korrekter Weise denken zu lernen.’
Lernen also auch wir – wenn auch in verschiedener Weise und unter verschiedenen Gesichtspunkten – aber in ernsthafter Absicht über ernsthafte Themen nachzudenken, sodass wir über die Gleichgültigkeit hinauswachsen. Denn die Gleichgültigkeit, die Oberflächlichkeit die Banalität, die sind der wahre Atheismus. Das ist – würde ich sagen – das große Ziel des Dialogs.
Und in diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass bereits zwei hohe Persönlichkeiten aus Berlin, dieser stark säkularisierten Großstadt – nämlich die Oberbürgermeister Klaus Wowereit und der Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki – beide ihren Wunsch geäußert haben, Berlin möge Zeuge dieses Willens zum Dialog werden."

Was schätzen Sie an einem Agnostiker, was missfällt Ihnen bei einem Christen?

„In dem Agnostiker schätze ich – und ich würde mir wünschen, dass dies auch bei den Gläubigen der Fall ist – seinen Wunsch nach der Suche des Ursprungs. Da er sein Ziel noch nicht kennt, stellt er sich Fragen. Mir fällt hier ein Ausspruch von Platon ein, den er Sokrates in den Mund legt: ‚Ein Leben ohne Suche verdient nicht gelebt zu werden.’
Die Suche ist eine fundamentale Komponente, die auch uns Glaubenden gelehrt werden muss. Wie der Psalm sagt: Licht im Lichte, wir werden in deinem Licht ein anderes Licht erkennen. Was den Christen betrifft, würde ich mir wünschen, dass dieser dem Nichtglaubenden mit dem Ausdruck der Gelassenheit, der Freude, der Hoffnung begegnet. Und nicht mit dem Gesicht der Negativität.
Wie oft wird die Religion als Kampf gegen die Sünde dargestellt. Religion ist vor allem eine Gnade! Sie ist vor allem der Eintritt Gottes in die Geschichte, sie ist Begegnung der Menschen. Deshalb wünschte ich mir, dass der Gläubige mehr diesen Aspekt erkennt, den Aspekt des Lichts, der Gelassenheit, der Hoffnung. Die Hoffnung ist die kleinste Tugend, aber sie führt die beiden anderen an der Hand: den Glauben und die Barmherzigkeit."

Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, ein berühmter Satz in Goethes Faust.

„Sie treffen mit Ihrer Bemerkung einen wichtigen Punkt: den Punkt der Kommunikation innerhalb der Kirche heute. Es werden viel zu wenig Fragen zu den verschiedensten Themen gestellt. Man ist immer noch davon überzeugt, mit der traditionellen Art von Kommunikation voranzukommen. Ich, zum Beispiel, bediene mich der Form des Twitterns. Jeden Tag am Morgen sende ich eine biblische Botschaft bestehend aus 140 Buchstaben und am Abend einen Beitrag mit kulturellem Inhalt, oder auch einen Blog. Ich schreibe in den Zeitungen und spreche im Fernsehen. All dies tue ich, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass ein Mensch, wenn er sich seiner eigenen Werte bewußt ist – das sage ich auch zu den nichtglaubenden Hörern, die auch ihre Ideen haben und an ihre Werte glauben – auch daran erinnert werden muss, dass man die Fähigkeit, die Frische, die Intensität, die Überzeugungskraft, die Schönheit der Kommunikation beherrschen muss.
Denken wir an Christus und seine Gleichnisse. Wenn wir am Sonntag in die Kirche gehen und der Priester ein Gleichnis vorliest, wissen die Leute schon am Anfang, wie dieses Gleichnis enden wird. Aber die Menschen hören dennoch aufmerksam zu, denn seine Parabeln strahlen immer wieder eine neue Faszination aus. Wir müssen auch in den heutigen Kommunikationsmitteln diese Ausstrahlung wiederentdecken. Mit unseren heutigen neuen digitalen Möglichkeiten arbeiten."

Das wäre sozusagen die moderne Kanzel der Kirche?

„Es ist wirklich ein neuer Aeropag der Kirche – um ein biblisches Beispiel zu nennen: als der hl. Paulus den Entschluss fasst, auch öffentlich aufzutreten – meist tat er das in griechischer Sprache, die das heutige Englisch wäre – wählt er die Wege, die ihn am schnellsten zum jeweiligen Ort seiner Auftritte führen: die römischen Konsularstraßen. Aber auch Athen, die Heimat der Kultur. Hier zitiert er in einer Ansprache Arates – ein griechischen Dichter – und einen weiteren Dichter, Kleantes, der auch Philosoph war, um die Rede spannender und eindrucksvoller zu gestalten. Sicher, manchmal blieb der Erfolg aus, aber viele folgten – wie die Apostelgeschichte schreibt – seinen Worten. Und auf diese Weise folgen auch heute viele der Botschaft."

Sprechen wir jetzt über Schönheit, die Kunst: Spiritualität und Schönheit sind zwei untrennbare Begriffe: so hieß es am Ende des ‚Vorhofs der Vôlker’ in Barcelona. Was ist Schönheit?

„Es gibt viele Definitionen der Schönheit und also auch der Kunst. Ich möchte hier zunächst einen tief antichristlichen Autor nennen, und dann einen deutschen Künstler. Ein überzeugter antchristlicher Autor war Henry Miller. Der Autor des ‚Wendekreis des Krebses’ und des ‚Steinbocks’ schreibt in einem seiner weniger bekannten Werke folgende Worte über die Kunst und die Religion: ,Die Kunst und die Religion sind wertlos, es sei denn sie bezeugen den Sinn des Lebens.‘ Das ist nicht wenig, würde ich sagen.
Der Andere hingegen heißt Hermann Hesse. In seiner Erzählung ,Klein und Wagner ‘ definiert auch er die Kunst. Und zwar in tief religiöser Weise, würde ich sagen: ,Kunst bedeutet, in jedem Ding Gott aufzeigen.‘ Nicht alle Künstler sind religiös, aber alle Künstler sind sich von Natur aus einig, in der Kunst nicht nur das Sichtbare aufzuzeigen. Paul Klee sagte: ‚Die Kunst, die Schönheit stellt nicht das Sichtbare dar, sondern das Unsichtbare, das im Sichtbaren enthalten ist.’ Und dies ist der fundamentale Zweck der Kunst.
Als Lucio Fontana, dieser berühmte italienische Künstler, eine Leinwand durchschneidet, antwortete er den fragenden Journalisten: ‚Seht ihr denn nicht, dass dies ein Schimmer ins Absolute ist? Ein Schritt über die Öberfläche hinaus? Dies also, glaube ich, ist Schönheit: den letzten Sinn erfassen, der in der Alltäglichkeit verborgen ist."

Kann man sagen, dass die Kunst eine universale Sprache spricht? Dass Glaube und Musik, Glaube und Malerei, Glaube und Kunst Geschwister sind?

„Wir wissen, dass beide das Absolute, das Ewige suchen. Ein Naiv-Künstler zum Beispiel stellt seine Werke in sehr einfacher Art und Weise dar, in Wirklichkeit jedoch will er beweisen, dass diese einen tieferen Sinn haben. Deshalb sind Kunst und Glaube notwendigerweise Geschwister. Sie wollen nicht kleinliche Informationen vermitteln, sondern letzte Horizonte aufzeigen.
Deshalb möchte ich im Jahre 2013 auf der Biennale von Venedig – eine globale, internationale Kunstschau ersten Ranges, die sicherlich auch degenerierte Werke zur Schau stellt – letztes Jahr zum Beispiel war der Papillon der Bundesrepublik sicher großartig aber in gewisser Weise streifte er sogar die Blasphemie – will ich also in Vertretung des Heiligen Stuhls auch dabei sein. Dabei sein an einem Ort, wo sich die Kunst mit der Krise in der Gesellschaft konfrontiert.
Ich habe Künstler verschiedener Ausrichtung und verschiedener Konfessionen engagiert, denen ich ein Thema vorgegeben habe: nämlich die ersten elf Kapitel der Genesis. Dort wo sich die Schöpfung, wo die Auflösung der Schöpfung, wo die Öffnung, wo sich der Weg Abrahams zeigt. Auf der einen Seite also der Mensch, denken wir an Michelangelo und an seine Sixtina, die gemeinsame Liebe, auf der anderen die Sünde, die Gewalt des Kain und Abel, die Sintflut, der Turm zu Babel, die Auflösung der Schöpfung, und zum Schluss Abraham auf seinem Weg. Ich möchte, dass diese Künstler in einem Rahmen, wie ihn nur Venedig hat, der ganzen Welt zeigen können, was diese Themen bedeuten. Auch für jene Menschen, die nie eine Kunstausstellung besuchen, sondern ihren üblichen Alltag leben."

Eminenz, ich möchte dieses Gespräch mit Ihnen mit Goethe abschließen, dessen Namen im Laufe dieser Sendung immer wieder gefallen ist: Goethe hat gesagt, die Muttersprache Europas ist das Christentum. Ist sie es auch heute noch?

„Ich glaube, Goethe ist einer der großen geliebten Menschen der Universalität, der Menschheit, der Kultur. Goethe hat mit seinem Hauptwerk, seinen Reflexionen, seinen Dialogen uns allen vieles gelehrt. Ich glaube, diese tief empfundene und wahre Einschätzung hat für die gesamte Geschichte Gültigkeit. Wir leben heute in einer von Vergesslichkeit gezeichneten Welt, die sich an dieses große Patrimonium nicht mehr erinnern will: an die Muttersprache. Denken wir daran, welche Bedeutung das Christentum allein für die Kunstgeschichte hat! Denken wir, was es für das Ethos bedeutet. Wir tun der Ethik jeden Tag Gewalt an. Aber Europa, seine zehn Sterne, gibt es dennoch immer. Wir müssen alles tun, dass diese so vergessliche und oberflächliche Welt sich wieder dieses schönes lateinischen Spruches entsinnt : ,erinnern heißt, recordare cordis. Ins Herz einschließen.‘ Schließen wir also im Herzen die großen Symbole der Schönheit, der Wahrheit, des Lichts mit ein. Das sage ich nicht als Kardinal, auch nicht als Priester oder Glaubender, sondern als Mann der Kultur. Denn, wer keine Erinnerung hat, lebt nicht."

Hintergrund
Kardinal Gianfranco Ravasi wurde am 18. Oktober 1942 in Merate in der Lombardei geboren. Sein Vater war Steuerberater, seine Mutter Lehrerin. Seine klerikale Karriere begann Ravasi relativ spät, aber dann umso steiler. Die Etappen lauten: Professor für Exegese des Alten Testaments in Mailand, Leitung der Biblioteca Ambrosiana, 2007 Bischofsweihe und 2010 Kardinalsernennung, beides durch Papst Benedikt XVI. Schließlich wurde ihm die Leitung der päpstlichen Einrichtung ‘Vorhof der Völker’ übertragen. Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur gilt als einer der einflussreichsten Brückenbauer zwischen Kirche, Wissenschaft und Kunst. (rv)

Kardinal Lehmann: Theologe ist ein Anwalt der Gläubigen

Am dritten und vorletzten Tag der Deutschen Bischofskonferenz in Regensburg geht es um die theologische Ausbildung und Forschung. Bei einem Studientag informierten sich die Bischöfe der Konferenz mit der Lage an den 20 theologischen Fakultäten in Deutschland. Dabei kam auch der Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs zur Sprache. Seinen Mitbrüdern gab der Mainzer Kardinal Karl Lehmann bei der Frühmesse am Mittwoch Denkanstöße zum Thema: In seiner Predigt in der Schottenkirche warnte er vor einer künstlichen Trennung von Glaube und Vernunft.

„Religionswissenschaft ist legitim, aber Theologie fragt immer auch nach der Gegenwartsbedeutung der christlichen Botschaft. Der denkende Glaube muss dafür Sorge tragen, dass der konkrete Mensch in der Geschichte bis in alle Lebensbereiche und faktischen Aufenthalte hinein die eigene Mächtigkeit und daseinsverwandelnde Kraft des Glaubens erfahren kann. Die Theologie wird dadurch zum Anwalt des Menschen im Verstehen der Offenbarung. Gerade weil hier Gott spricht, darf mehr und radikaler, gründlicher und kritischer gefragt werden als anderswo."

Theologen agierten weder losgelöst vom Rückhalt der Kirche, noch der Zustimmung und Akzeptanz der Gläubigen. Sie müssten den Willen aufbringen, sich auch korrigieren und weiterführen zu lassen.

„Dabei wird der Theologe, gerade wenn er neue Verstehensversuche schafft, immer daran denken müssen, dass er diese nicht nur in eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem bleibenden Wesen des Glaubens der Kirche bringt, sondern dass er sich bewusst ist, den Menschen der Kirche ein Verständnis anzubieten, das auch seinerseits Zustimmung und Akzeptanz erfährt. Er macht ein Verstehensangebot, ist aber auch hier abhängig vom Einvernehmen der Kirche. Dies gilt nicht nur für das kirchliche Lehramt, sondern auch für den Bezug zum Glaubenssinn der Christen."

Lehmann zitierte den Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar: Manche Fehlentwicklungen rührten daher, dass es in der Moderne „einen kaum mehr zu überwindenden Graben gibt zwischen Theologie und Heiligkeit". (rv)

Vatikan: Mehr Philosophie für Theologen

Theologen werden zukünftig in ihrer Ausbildung mehr Philosophie studieren. Das hat der Präfekt der vatikanischen Bildungskongregation, Kardinal Zenon Grocholewski, bekannt gegeben. Konkret verlängert sich das Bachelor-Studium an den kirchlichen Fakultäten der Welt von zwei auf drei Jahre. In den ersten zwei Jahren des Theologiestudiums sollen künftig 60 Prozent der Semesterwochenstunden der Philosophie vorbehalten sein. Diese und andere Neuerungen sind in einem vatikanischen „Dekret zur Reform der kirchlichen Studien der Philosophie" festgelegt. Die Reform gilt für alle Universitäten und Hochschulen weltweit, die katholische Theologen ausbilden. (rv)

Kardinal Marc Ouellet: „Jesusbuch wird Theologie beeinflussen“

 Das neue Jesusbuch von Papst Benedikt wird großen Einfluss auf die zeitgenössischen Theologie haben. Das glaubt Kardinal Marc Ouellet, der das Werk an diesem Donnerstag Abend in Rom der Öffentlichkeit präsentierte.
„Dieses Buch wird dazu beitragen, Joseph Ratzinger als Theologen bekannt zu machen. Denn er hatte zwei Jahrzehnte lang als Wächter des rechten Glaubens eine ziemlich undankbare Aufgabe in der Kirche und wurde aus diesem Grund von vielen Theologen nicht gelesen. Das nun sich Bahn brechende Interesse korrigiert eine Ungerechtigkeit in bezug auf ihn und ist zum anderen ein Segen für die Kirche, denn dieses Licht drohte unter dem Scheffel zu bleiben. Dass das Werk nun in einer außerordentlich hohen Auflage erscheint, wird der Evangelisierung helfen."
Das Jesusbuch spiegelt ein langjähriges Anliegen von Joseph Ratzinger, sagt Ouellet, nämlich eine heute gültige Form der Schriftauslegung zu finden: die so genannte „theologische Exegese".
„Eine Exegese, die ansetzt beim historischen Fakt, so wie man sie in den Aussagen der Evangelien findet. Wir haben keinen Grund, die Authentizität des Evangeliums anzuzweifeln. Hinzu kommt, immer im Licht des Glaubens, das einen größeren Kontext schafft, der Blick auf das alte Testament und die Interpretation durch die Kirchenväter. Joseph Ratzinger liest die Gestalt Jesu neu, und zwar besonders die Elemente rund um das Mysterium der Menschwerdung und der Erlösung. Denn diese Dinge gehen alle Menschen an. Jesus betrifft unser Leben, unsere moralischen Optionen, unsere Sünden, unseren Glauben, er gibt uns tiefen Lebenssinn und lässt uns heute schon teilhaben am ewigen Leben." (rv)

D: Theologisch viel los bei der Buchmesse

Das Internet habe sie verdrängt, Menschen nehmen sich keine Zeit mehr für sie – es wurde viel geredet über die nachlassende Attraktivität von Büchern. Dabei gibt es einen Ort, der jedes Jahr das Gegenteil beweist: die Internationale Buchmesse. Von den Fachspezialisierungen innerhalb der Spezialisierungen zu den sich neu auftuenden Genres: Die Bücherwelt lebt und die Nachfrage ist da. Das gilt auch für die Bücher rund um das Thema Kirche und Religion. An diesem Freitag sind die Tore der Buchmesse für das interessierte Publikum geöffnet. In den letzten Tagen fand dort eine reine Fachmesse statt. Unser Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord hat sich dort umgeschaut nach den Neuigkeiten und Trends auf dem religiösen Buchmarkt.
 „Theologisch ist hier sehr viel los, das ist mir aufgefallen. interessanterweise sind das fast alles Namen, die man noch nicht kennt. Da kommt eine neue Generation neuer Theologen auf den Markt, das ist eine sehr gute Nachricht, da kann man viel Neues entdecken. Ansonsten sind mir viele Kirchen-Bücher aufgefallen. Kirche im Reformstau, Rückkehr der Religion, authentisch glauben."
Geschrieben wird zum Thema Religion und Kirche sowohl positiv, wie kritisch. Der literarische Prüfstand durchleuchtet die Kirche von heute und ihre Botschaft sehr detailliert.
„Viele Bücher sprechen eben davon, dass in der Kirche zu viel über Struktur und Geld geredet wird und dass eine veraltete Sprache benutzt wird. Da ist immer alles "ein Stück weit" und "da geht man zu den Menschen", solche Formulierungen, die nicht wirklich religiös heute noch tragen. Also Bücher, die anmahnen, man möge sich wieder verstärkt und in einer neuen klugen, angemessenen Sprache um Gott selber kümmern."
Für den Besucher ist der Durchblick auf der Frankfurter Buchmesse nur schwer zu behalten: Deshalb sein Tipp: Vorher schon ungefähr wissen, wonach man sucht. Die Verlage haben ihre Programme den Wünschen der Leseinteressierten angepasst. Und die gehen ziemlich auseinander.
„Also da gibt es die Kirchenfernen, die engagierten Kirchenmitglieder, es gibt die Suchenden, es gibt die Leute, die eigentlich mit Kirche und Gott bis jetzt gar nichts zu tun hatten und jetzt versuchen, da Informationen zu gewinnen. Alle diese Gruppen wollen verschieden bedient werden, und das merkt man sehr deutlich an den Ständen der Verlage. Das ist sehr bunt und interessant, sich da durchzublättern."
Man solle sich außerdem nicht davon abschrecken lassen, dass nicht alles, was an religiöser Literatur vorgestellt wird, auch von weitem erkennbar und mit dicken Kreuzen versehen ist. Die Nachfrage ist ungebrochen. Und sie bestimmt die Vielfalt.
„Es gibt anhaltendes Interesse am weitestgehend religiösen Buchmarkt. Das geht vom alten Druck einer Bibel bis zum New-Age-Mäßigen, spirituell Tastenden, aber da gibt es nach wie vor ein großes Interesse. Man richtet sich nach der veränderten Nachfrage, nach den verschiedenen Stilen." „Es gibt eine Bibel in Magazinform, Hochglanz, das sieht ein bisschen so aus wie ein modernes Modemagazin, aber da drin ist ausschließlich Bibel." (rv)

Wissenschaftsrat: Theologie an deutschen Hochschulen zu „defensiv“

Also lautet der Beschluss, dass der Mensch was lernen muss. Das wusste schon Wilhelm Busch. Wie das geschehen soll, dazu berät der deutsche Wissenschaftsrat die Bundesregierung und die Regierungen der Länder. Und dieser Wissenschaftsrat fällt nun kein sehr positives Urteil über den Zustand der deutschen akademischen Theologie. Die Haltung der Theologie – der katholischen wie der evangelischen – sei zu defensiv. Das sagt der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Peter Strohschneider, im Gespräch mit Radio Vatikan. Der Wissenschaftsrat fordert die Theologie deshalb dazu auf, offener für Kooperationen mit anderen Disziplinen zu sein. Strohschneider:

 

„Es geht vor allem darum: Zu beschreiben, dass sich die evangelischen und katholischen Theologien an den staatlichen Hochschulen nicht hinter ihrer starken rechtsstaatlichen Position, die ihnen in der Bundesrepublik verfassungsgemäß zukommt, verstecken sollen! Vielmehr sollen sie sich an den Hochschulen intensiv in das Gespräch mit anderen Geisteswissenschaften und normativen Wissenschaften bringen. Sie sollen sich mit den anderen wissenschaftlichen Disziplinen überhaupt besser vernetzen, wie man im wissenschaftlichen Diskurs sagt." (rv)