Das unbedingte Nein zur Todesstrafe und das Voranschreiten der katholischen Lehre: Diese beiden Aspekte der jüngsten Grundsatzrede von Papst Franziskus hat Erzbischof Rino Fisichella im Gespräch mit Radio Vatikan kommentiert. Fisichella ist Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung und überdies ein beschlagener Theologe. Im Hintergrund der päpstlichen Aussagen zu Tradition und Glaubensgut steht das Ringen um den rechten Weg in heutigen Herausforderungen der Seelsorge.
Traditionsorientierte Kreise der katholischen Kirche verteidigen das Glaubensgut als unveränderlich im reinen Sinn. Aus diesem Grund halten sie etwa die Todesstrafe als letztes Mittel in schwerwiegenden Fällen für hinnehmbar oder lehnen das päpstliche Lehrschreiben „Amoris Laetitia“ ab, das im Umgang mit verletzten Familien Barmherzigkeit über Gerechtigkeit stellt und so – nach Ansicht der Kritiker – die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe unterwandert.
Franziskus, sagte uns Fisichella, sei in seiner Haltung sehr weitsichtig, indem er erklärte, der Katechismus habe zwei Aufgaben: einerseits müsse er das Erbe der kirchlichen Lehre aus 2000 Jahren bewahren und andererseits immer nach vorne schauen, auf die großen Herausforderungen der Kultur und der Gesellschaft.
„Ich denke da an Amoris Laetitia. Es braucht die Fähigkeit auch die Herausforderungen zu sehen, die in unserer Kultur und Gesellschaft bezüglich der Ehe bestehen. Die Fähigkeit, diese schwierigen Lebenslagen wahrzunehmen und zu begleiten, die scheinbar immer mehr werden. Ich persönlich finde, die Tradition lebendig zu erhalten, ist die große Herausforderung, vor der die Kirche heute steht. Denn sie muss sie ja den jungen Generationen vermitteln.“
Gerade die katholische Lehre zur Todesstrafe sei in den vergangenen 30 Jahren vorangeschritten und zum klaren Nein geworden, sagte Franziskus in seiner Rede. Erzbischof Fisichella fasst diese Entwicklungen zusammen:
„Schon Johannes Paul II. fühlte die Notwendigkeit, , als der Katechismus (1992) erschien, sich sofort mir der Enzyklika Evangelium Vitae zu Wort zu melden. Dort verdeutlichte er seine Gedanken, die dann fünf Jahre später wieder aufgegriffen wurden. Für die verbindliche lateinische Version des Katechismus nämlich wurde die Stelle über die Todesstrafe verändert. Das zeigte den Fortschritt, den das Lehramt zurückgelegt hatte, und die Beschränkungen, die die Kirche im Fall der Todesstrafe geltend machte. Danach haben wir Eingriffe von Benedikt XVI., die noch weiter darüber hinausgingen. Franziskus dann sagte schon früh in seinem Pontifikat, auch ein Mörder verliere niemals seine Menschenwürde. Gestern hat er noch einen Schritt weiter getan, indem er sagte: Die Todesstrafe widerspricht in sich dem Evangelium. Das ist grundlegend, denn es verdeutlicht, dass die Lehre der Kirche im Respekt der Menschenwürde keine Grenzen kennt.“ (rv)