Pferde in päpstlichen Gefilden

Jahr für Jahr verfolgen zigtausende begeisterte Anhänger des Pferdesports in der Kaiserstadt Aachen live oder am Fernseher das „Weltfest des Pferdesports“.

Dereinst waren auch bei den Päpsten Wettkämpfe hoch zu Ross angesagt. Der größte Innenhof des Vatikans, der „Cortile del Belvedere“, bot sich vor rund vierhundert Jahren als grandiose Kulisse für Reitturniere an. Alte Stiche, die in der Apostolischen Bibliothek sorgsam verwahrt werden, geben einen faszinierenden Eindruck dieser „spettacoli“ im Schatten von Sankt Peter. Heute ist der Belvederehof zum Parkplatz verkommen. Der Blick vom Borgiaturm, von dem die Päpste einst dem Treiben durchtrainierter Rösser zuschauten, offenbart in unseren Tagen nur noch das verzweifelte Bemühen römischer Monsignori und Ordensschwestern, ihren Fiat Uno mit gewagten Manövern in eine enge Parklücke zu bringen.

In der Vergangenheit gehörten Pferde zum Alltag der Päpste. Sie waren nicht nur als Transportmittel gefragt, sondern sie nahmen zudem im Zeremoniell eine bedeutende Rolle ein – so bei der feierlichen Reiterprozession zur Besitzergreifung der Bischofskirche und des Palastes des Papstes beim Lateran. Das päpstliche Pferd sollte möglichst „candissimus“, ein „weißgeborenes“, d. h. ein Albino sein. Das Reiten auf einem weißen Pferd war in der Regel in der Ewigen Stadt allein dem Papste vorbehalten, nur in ganz seltenen Fällen wurde es Personen als Privileg oder besondere Auszeichnung zugestanden, so als der Papst dem römischen Fürsten und Befehlshaber seiner Flotte Don Marcantonio Colonna nach dem Sieg bei der Seeschlacht von Lepanto (1571) einen Triumphzug gewährte.

Das Pferd, das der Papst beim Ritt nach der Krönung und zum Possess (Besitzergreifung) des Laterans benutzt hatte, verfügte nach allgemeiner Auffassung über eine „Aura“, „die es in den magischen Bereich von Berührungsreliquien rückt“ (Jörg Traeger). Gregor der Große teilt in seinen „Dialogen“ mit, dass das Pferd, das Johannes I. 525 in Korinth leihweise zur Verfügung gestellt worden war, nach der Rückgabe an den Besitzer keinen anderen Reiter mehr duldete. Seither gab es den Brauch, dass päpstliche Pferde nur von Päpsten geritten wurden. Nach dem Tod eines solchen Rosses wurde dessen Haut wie eine Reliquie in den „Scuderie Pontificie“, den päpstlichen Stallungen, aufbewahrt.

Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts verfügte die Päpstliche Nobelgarde, die aristokratische Leibwache des Heiligen Vaters, noch über ein gewisses Kontingent von Reittiere. Am 28. März 1905, bei der Einweihung der Lourdesgrotte in den Vatikanischen Gärten, trat zum letzten Mal ein Pikett der Nobelgarde als Reitereskorte des Pontifex in Erscheinung. Der Pferdestall und die kleine Reithalle des Korps wurden dann abgerissen. Das gleiche Schicksal erteilte zwei Jahrzehnte später den päpstlichen Marstall, als die Kutschen des Papstes durch Automobile ersetzt wurden. Von den Reitställen im Vatikan blieben nicht einmal die Fundamente erhalten.

Die Erinnerung an eine Zeit der Pferde wird in den Vatikanischen Museen, im „Padiglione delle Carrozze“, dem päpstlichen Kutschenmuseum, das 1967 von Papst Paul VI. (1963-1978) begründet, wachgehalten. Staunend steht man vor dem prachtvoll verzierten Galasattel des Bannerträgers der Heiligen Römischen Kirche, um die nicht weniger aufwendig geschmückte Satteldecken von Offizieren der Päpstlichen Nobelgarde und verschiedener berittener Regimenter der 1870 aufgelösten Armee des Kirchenstaates gruppiert sind.

Prachtstücke des Museums sind zwei imponierende Galakutschen: die 1826 von Papst Leo XII. (1823-1829) angeschaffte „Berlina di Gran Gala“ und die Kutsche des Kardinals Lucien Bonaparte, die Kaiser Napoleon III. seinem Cousin zu dessen Kardinalserhebung im Jahre 1868 schenkte. Zu sehen ist dort auch der Landauer, mit dem Papst Pius IX. (1846-1878) im November 1848 beim Ausbruch der Revolution im Kirchenstaat unter abenteuerlichen Umständen nach Gaeta ins Königreich Neapel fliehen musste.

Ein Pferderelikt des Vatikans ist allen Bewohner und Besuchern Roms frei zugänglich – wird aber in der Regel nicht als ein solches erkannt. Nur wenige Schritte vom Palast der Glaubenskongregation entfernt befindet sich bei der Via di Porta Cavalleggeri eine viel frequentierte Haltestelle der römischen Verkehrsbetriebe. An der wehrhaften Mauer des Vatikans bietet ein Brunnen dem Buspublikum willkommene Erfrischung.

In unmittelbarer Nähe standen hier bis vor zweihundert Jahren Kaserne und Reitstall der Leibgarde des Papstes – der Name der Straße erinnert noch heute daran. Übrig geblieben ist nur der besagte Brunnen. Ihn, so verrät eine lateinische Inschrift, ließ Papst Pius IV. (1560-1565) „zum öffentlichen Nutzen und zur Zweckmäßigkeit der berittenen Leibgarde“ errichten. In unseren Tagen steht er noch immer in Diensten, jedoch mit dem Vorteil, dass ihn sich Mensch und Tier nicht mehr teilen müssen. (CNA Deutsch)

Ungeklärte Todesfälle und andere „weniger fromme Dinge“: Faszination Konklave bei EWTN

VATIKANSTADT – Wenn der weiße Rauch aufsteigt: Selbst für Kirchenferne ist die Wahl eines Papstes spannendes Thema – auch wenn es dabei heute nicht gleich um ungeklärte Todesfälle und andere „weniger fromme“ Dinge geht, die in der Sendung „Extra Omnes – Schauplatz Konklave“ verhandelt werden, die der katholische Fernsehsender EWTN.TV derzeit ausstrahlt. Im Programm spricht der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger mit EWTN-Redakteur Robert Rauhut über die Vorgänge rund um die Papstwahl in der Geschichte und Gegenwart.

Herr Nersinger, was sind denn die „weniger frommen“ Dinge, die sie in der Sendung schildern?

Die Wahl eines Papstes berührt wohl jeden Katholiken. Sie ist ein ganz besonderes Ereignis im Leben der Kirche. Und sie hat daher natürlich auch eine wichtige religiöse Dimension. Doch wie diese in der Praxis einzuschätzen und zu gewichten ist, darüber gibt es selbst unter den Wählern eines Nachfolgers Petri unterschiedliche Ansichten. Die Einschätzung der spirituellen Dimension wird sehr unterschiedlich gesehen. In seinem Hirtenwort zur Sedisvakanz des Jahres 2013 nannte Kadinal Reinhard Marx das Konklave „ein geistliches Geschehen“; der emeritierte deutsche Kurienkardinal Paul Cordes hingegen verglich die Teilnahme an der Papstwahl mit „einem Besuch beim Zahnarzt“.

Man muss sich vor Augen halten, dass Christus seiner Kirche keine festen Vorschriften über die Wahl ihres Oberhauptes hinterlassen hat. Eine Papstwahl beruht nicht auf göttlichem, sondern auf kirchlichem Recht. Das Konklave ist ein Vorgang, in dem Menschen agieren, mit all ihren Stärken und Schwächen. Auf den Punkt gebracht, könnte man sagen, bei einer Papstwahl „menschelt“ es. Bei dem Konklave, aus dem 1492 Kardinal Rodrigo Borgia als Alexander VI. hervor ging, gab es eine erstaunliche Anzahl von Absprachen und verlockenden Angeboten (sprich Bestechungen), ja sogar die ein oder andere Nötigung. Doch man muss historisch auch immer genau hinsehen. Das, was uns heute als „Delikt“ erscheint, war damals nicht immer vom Recht verboten. Und so mancher wird sich wundern, welche „Tricks“ fromme, heiligmäßige und heiliggesprochene Männer bei einer Papstwahl anwendeten.

Aber keine Angst, dem Zuschauer wird keine unappetitliche chronique scandaleuse geboten. Er wird eingeladen, auf einen spannenden Streifzug durch die Kirchengeschichte mitzugehen und die Geschichte der Papstwahlen mit all ihren Höhen und Tiefen kennenzulernen. Und eines soll bei alldem nicht vergessen werden, einer der „Mitspieler“ beim Konklave ist immer noch der Heilige Geist.

Kann einem da nicht manchmal der Zweifel kommen, wieviel Heiliger Geist noch mitspielt?

Mir hat ein Interview imponiert, dass 1998 August Everding, der Generalintendant der Bayerischen Staatstheater, mit dem damaligen Präfekten der Glaubenskongregation führte. Professor Everding fragte Kardinal Joseph Ratzinger, ob er wirklich glaube, dass bei der Papstwahl der Heilige Geist mitwirke. Der Kardinal antwortete ihm: „Ich würde nicht sagen in dem Sinn, dass der Heilige Geist den jeweiligen Papst heraussucht, denn da gibt es zu viele Gegenbeweise, da waren doch viele da, die der Heilige Geist ganz evident nicht herausgesucht hätte. Aber dass er insgesamt die Sache nicht aus der Hand lässt, uns sozusagen wie ein guter Erzieher an einem sehr langen Band lässt, sehr viel Freiheit lässt, aber es nicht ganz abschnappen lässt, das würde ich schon sagen. Das wäre also in einem viel weitläufigeren Sinn aufzufassen und nicht so, dass er sagt, jetzt habt ihr den zu wählen. Wohl aber lässt er nur das zu, was die Sache nicht total zerstören kann.“

Es gibt eine hübsche Geschichte, die einem berühmten Papstwähler, dem heiligen Karl Borromäus, zugeschrieben wird. Der Heilige hatte im Konklave von 1572 den anderen Kardinälen geraten, Ugo Boncompagni zum Papst zu wählen. Die Purpurträger hatten ein offenes Ohr für den Rat des Erzbischofs von Mailand. Das Konklave wurde eines der kürzesten der Geschichte (es dauerte nur 24 Stunden) und endete mit einer einstimmigen Wahl. Boncompagni regierte hoch angesehen als Gregor XIII. bis 1585. Als einige Zeit nach dem Konklave herauskam, dass der Papst einen natürlichen Sohn hatte, wurde der Mailänder Oberhirte vorwurfsvoll gefragt, ob er dies denn nicht gewusst habe, als er ihn zum Papst vorschlug. Der heilige Karl Borromäus antwortete: „Ich nicht, aber der Heilige Geist hat es gewusst – und es hat ihm nichts ausgemacht.“

Aus der geschichtlichen Perspektive betrachtet: Wie bewerten Sie heutige und vor allem auch künftige Konklaven?

2013 wurde ein Kardinal von dem Korrespondenten eines großen amerikanischen Nachrichtensenders nach dem Verlauf der Papstwahl befragt. Der Kardinal gab dem Journalisten zur Antwort: „Einer meiner Vorgänger wurde während des Zweiten Vatikanischen Konzils um eine Stellungnahme zu einer heiklen Diskussion auf der Kirchenversammlung angegangen. Er erzählte dem Reporter, er habe ein Mal in dem Schaufenster einer Fischhandlung einen prachtvollen Hecht gesehen. Neben dem Fisch sei ein Zettel gelegen, und auf dem habe gestanden: ,Hätte ich mein Maul gehalten, läge ich heute nicht hier’.“

Doch Spaß beiseite, ich möchte mich nicht um die Beantwortung Ihrer Frage herumdrücken. Aber selbst wer sich gut im Vatikan auskennt und mit der Materie der Papstwahl bestens vertraut ist, wird sich heute bei seriösen Einschätzungen schwer tun. Viel zu viele Faktoren wirken auf ein Konklave ein. Die beachtliche Größe des Wahlkollegiums erschwert Einschätzungen im Vorfeld der Wahl. Und nach dem Weißen Rauch gilt immer noch das Konklavegeheimnis – unerlaubte Aussagen von Papstwählern und mutmaßliche Tagebücher sind daher mit Vorsicht zu bewerten, sie sind nicht selten Versatzstücke einer bewusst forcierten Kirchenpolitik. Wer jetzt schon detaillierte Voraussagen zu einem künftigen Konklave macht, ist weniger seriös als die Auguren im alten Rom, die aus dem Flug der Vögel das Schicksal deuten wollten, oder die Haruspices, die glaubten in den Eingeweiden der Tiere Künftiges erblicken zu können.

Vielleicht aber helfen dem Zuschauer die zwölf Episoden der Serie, mit Papstwahlen vertraut zu werden und sich bei einem kommenden Konklave selber ein Bild zu machen.

„Extra Omnes“: Die Sendetermine bei EWTN.TV im Überblick

Sonntag: 21.30 Uhr

Wiederholungen:

Montag: 03.00 Uhr

Mittwoch: 17.30 Uhr

Donnerstag: 00.30 Uhr / 11.30 Uhr

Freitag: 19.00 Uhr

Samstag: 01.30 Uhr (CNA Deutsch)

Neue Vatikan-Serie „Extra Omnes – Schauplatz Konklave“ mit Ulrich Nersinger

KÖLN – Der katholische Fernsehsender EWTN.TV hat seit dem 25. März 2018 eine neue Vatikan-Serie im Programm: In der Serie „Extra Omnes – Schauplatz Konklave“ spricht der Vatikan-Experte Ulrich Nersinger mit EWTN-Redakteur Robert Rauhut über die weniger frommen Vorgänge rund um die Papstwahl in der Geschichte und Gegenwart.

Es geht dabei um Intrigen, Verrat, Bestechung und ungeklärte Todesfälle, aber auch um die seltsam verschlungenen Wege des Heiligen Geistes. In insgesamt zwölf Folgen versucht Nersinger etwas Licht in das Prozedere zu bringen, das sich normalerweise hinter verschlossenen Türen und unter strengster Geheimhaltung vollzieht.

Das Programm von EWTN ist als Wochenschema aufgebaut. Jeden Sonntag wird eine neue Folge von „Extra Omnes – Schauplatz Konklave“ ausgestrahlt, die dann unter der Woche mehrfach wiederholt wird.

Die Sendetermine im Überblick:

Sonntag: 21.30 Uhr

Wiederholungen:

Montag: 03.00 Uhr

Mittwoch: 17.30 Uhr

Donnerstag: 00.30 Uhr / 11.30 Uhr

Freitag: 19.00 Uhr

Samstag: 01.30 Uhr

Weitere neue Programm-Highlights sind seit dem Programmwechsel am 25. März auf EWTN.TV zu sehen. Die neue Programmbroschüre kann hier kostenlos bestellt werden. Gerne können Sie sich auch an die Geschäftsstelle in Köln wenden:

EWTN.TV gGmbH

Hansestr. 85

51149 Köln (CNA Deutsch)

EWTN:„Extra omnes! Schauplatz Konklave“

Am 25. März ist es soweit: Die erste Folge von „Extra omnes! Schauplatz Konklave“ wird vom amerikanischen Fernsehsender EWTN in seinem deutschen Programm ausgestrahlt.

Grundlage der 12-teiligen Doku-Serie ist das im Verlag Petra Kehl erschienene Buch „Tatort Konklave“ des Eschweiler Autors und Vatikankenners Ulrich Nersinger. In 30-minütigen Episoden gibt der Theologe im Gespräch mit EWTN-Redakteur Robert Rauhut Einblicke in die spannende und ereignisreiche Geschichte der Papstwahlen. Das Thema „Konklave“ verspricht Spannung. Kircheninterne Intrigen, Machtspiele, Versuche weltlicher Kräfte, Einfluss zu nehmen und ein enormes Medieninteresse lassen auch heute noch dieses Ereignis zu einem unvergleichlichen Abenteuer werden. Die Dreharbeiten fanden schon im Herbst 2017 in den Studios des Senders in Irondale/Alabama (USA) statt. EWTN ist der weltweit größte katholische Fernsehsender und erreicht mit seinen Programmen in englischer, spanischer, deutscher und französischer Sprache mehr als 230 Millionen Haushalte in 144 Ländern auf allen Kontinenten.

Die einzelnen Folgen werden jeweils Sonntags um 21.30 Uhr via Satellit und über Internet (www.ewtn.de) ausgestrahlt und mehrfach in der darauffolgenden Woche wiederholt.

(vh – un)

Humanae Vitae – ein Plädoyer für die Ehe

Auszug aus „Paul VI. – Ein Papst im Zeichen des Widerspruchs“ (Ulrich Nersinger).

Eine neue Diskussion ist entbrannt über Humanae Vitae – während gleichzeitig ihr Autor, Papst Paul VI. auf dem Weg zur Heiligsprechung ist. In seinem 2014 erschienen Buch „Paul VI. – Ein Papst im Zeichen des Widerspruchs“ widmet der bekannte Vatikanist und Historiker Ulrich Nersinger der Enzyklika ein Kapitel, das CNA Deutsch hier mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Patrimonium-Verlags veröffentlicht.

Die Latinisten des Papstes versehen für gewöhnlich ihre Arbeit ohne allzu große Aufregung. Die Ansprachen, Schreiben, Ernennungsdekrete und kirchliche Verfügungen, die sie in die Sprache Ciceros, die auch die Sprache der Kirche ist, zu übersetzen haben, stellen für sie keine unüberwindbaren Anforderungen dar. Die Texte übersetzen sie routiniert und zügig. Grammatik und Syntax beherrschen sie perfekt, und sie sind geschickt darin, neue lateinische Vokabeln aus der Taufe zu heben. Im Sommer des Jahres 1968 aber verlangt man von ihnen die Tugend der Geduld. Unter den Latinisten des Vatikans befindet sich der Augustiner-Chorherrenabt Karl Egger, ein Südtiroler, der den Papst seit den Dreißiger Jahren persönlich kennt. Die Arbeit an der Enzyklika, die in diesen Tagen auszufertigen ist, ist an sich kein Problem. Doch der Ordensmann fragt sich, ob ein entscheidender Passus des Apostolischen Schreibens schon feststeht. Denn definitiven Text kennt er noch nicht, doch er weiß bereits, wie ersten beiden Worte der Enzyklika lauten: „Humanae Vitae“.

Seit einigen Jahrzehnten hat sich die katholische Kirche mit der künstlichen Empfängnisverhütung auseinanderzusetzen. Am letzten Tag des Jahres 1930 hat ihr Papst Pius XI. (1922-1939) durch sein Rundschreiben Casti Connubii eine unmissverständliche Absage erteilt; sein unmittelbarer Nachfolger, Pius XII. bekräftigt diese Entscheidung im Oktober 1951 in einer berühmt gewordenen Ansprache an katholische Hebammen. Papst Johannes XXIII. muss sich in seinem Pontifikat mit einer neuen Entwicklung, der sogenannten „Antibabypille“, auseinandersetzten. 1963 beruft er eine sechsköpfige Studienkommission ein; Papst Paul VI. stockt dieses Gremium auf und ergänzt es durch weitere Experten und katholische Ehepaare. Das Konzil will die heikle Frage selbst behandeln, doch der Pontifex sieht sich in die Pflicht genommen. So müssen die Väter der Kirchenversammlung feststellen: „Bestimmte Fragen, die noch anderer sorgfältiger Untersuchungen bedürfen, sind auf Anordnung des Heiligen Vaters der Kommission für das Studium des Bevölkerungswachstums, der Familie und der Geburtenhäufigkeit übergeben worden, damit, nachdem diese Kommission ihre Aufgabe erfüllt hat, der Papst eine Entscheidung treffe. Bei diesem Stand der Doktrin des Lehramtes beabsichtigt das Konzil nicht, konkrete Lösungen unmittelbar vorzulegen.“

Im Juni 1965 kommt die vom Papst eingesetzte Kommission zu dem Mehrheitsbeschluss, Paul VI. zu empfehlen, den Gläubigen unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung künstlicher Verhütungsmittel zu erlauben. Der Papst beauftragt nun zusätzlich Bischöfe und Theologen mit der Behandlung der Problematik. Kardinäle, Bischöfe, Professoren und die Medien versuchen nun, Einfluss auf den Pontifex zu nehmen. Am 25. Juli 1968 erfolgt die Veröffentlichung der Enzyklika Humanae Vitae über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens“. Der Papst verbleibt in der Tradition der Kirche: „Die eheliche Liebe zeigt sich uns in ihrem wahren Wesen und Adel, wenn wir sie von ihrem Quellgrund her sehen; von Gott, der ‚Liebe ist, von ihm, dem Vater, ’nach dem alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen trägt’. Weit davon entfernt, das bloße Produkt des Zufalls oder Ergebnis des blinden Ablaufs von Naturkräften zu sein, ist die Ehe in Wirklichkeit vom Schöpfergott in weiser Voraussicht so eingerichtet, dass sie in den Menschen seinen Liebesplan verwirklicht. Darum streben Mann und Frau durch ihre gegenseitige Hingabe, die ihnen in der Ehe eigen und ausschließlich ist, nach jener personalen Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig vollenden, um mit Gott zusammenzuwirken bei der Weckung und Erziehung neuen menschlichen Lebens. Darüber hinaus hat für die Getauften die Ehe die hohe Würde eines sakramentalen Gnadenzeichens, und bringt darin die Verbundenheit Christi mit seiner Kirche zum Ausdruck.“

Über Wesen und die Zielsetzung des ehelichen Aktes sagt der Papst: „Jene Akte, die eine intime und keusche Vereinigung der Gatten darstellen und die das menschliche Leben weitertragen, sind, wie das letzte Konzil betont hat, ‚zu achten und zu ehren’; sie bleiben auch sittlich erlaubt bei vorauszusehender Unfruchtbarkeit, wenn deren Ursache keineswegs im Willen der Gatten liegt; denn die Bestimmung dieser Akte, die Verbundenheit der Gatten zum Ausdruck zu bringen und zu bestärken, bleibt bestehen. Wie die Erfahrung lehrt, geht tatsächlich nicht aus jedem ehelichen Verkehr neues Leben hervor. Gott hat ja die natürlichen Gesetze und Zeiten der Fruchtbarkeit in seiner Weisheit so gefügt, dass diese schon von selbst Abstände in der Aufeinanderfolge der Geburten schaffen. Indem die Kirche die Menschen zur Beobachtung des von ihr in beständiger Lehre ausgelegten natürlichen Sittengesetzes anhält, lehrt sie nun, dass ‚jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hin geordnet bleiben muss’.“

Körperliche Vereinigung und Fortpflanzung gehören für den Papst zusammen: „Diese vom kirchlichen Lehramt oft dargelegte Lehre gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte – liebende Vereinigung und Fortpflanzung -, die beide dem ehelichen Akt innewohnen. Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig auflösen. Seiner innersten Struktur nach befähigt der eheliche Akt, indem er den Gatten und die Gattin aufs engste miteinander vereint, zugleich zur Zeugung neuen Lebens, entsprechend den Gesetzen, die in die Natur des Mannes und der Frau eingeschrieben sind. Wenn die beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung und der Fortpflanzung beachtet werden, behält der Verkehr in der Ehe voll und ganz den Sinngehalt gegenseitiger und wahrer Liebe, und seine Hinordnung auf die erhabene Aufgabe der Elternschaft, zu der der Mensch berufen ist. Unserer Meinung nach sind die Menschen unserer Zeit durchaus imstande, die Vernunftgemäßheit dieser Lehre zu erfassen.“

Dass sich nun säkulare Stimmen gegen die Entscheidung aus dem Vatikan wenden – von der Titulierung „Pillen-Paul“ durch eine deutsche Boulevardzeitung bis hin zu wissenschaftlichen Abhandlungen – , hat der Papst geahnt. Die Tatsache aber, dass katholische Bischofskonferenzen öffentlich in Opposition zum Heiligen Stuhl treten, schmerzt den Pontifex. Die Erklärungen von Königstein (Deutschland), Maria Trost (Österreich) und Solothurn (Schweiz) liest er mit ungläubigem Kopfschütteln. Persönlich enttäuscht sah er sich von Kardinälen Julius Döpfner und Franz König, denen er in der Vergangenheit eine hohe Wertschätzung entgegengebracht hat. Tröstend empfindet er das Memorandum, das ihm Karol Wojtyla, der Erzbischof von Krakau und spätere Johannes Paul II., mit der Bitte gesandt hat, an der bisherigen Lehre der Kirche zur Empfängnisverhütung festzuhalten; dankbar ist er, dass sich der Bischof von Vittorio Veneto (Norditalien), Monsignore Albino Luciani, der ihm als Johannes Paul I. auf dem Stuhl des heiligen Petrus nachfolgen sollte, an seine Seite stellte – ein Bischof, der bis zum Entscheid des Papstes Formen der Verhütung nicht generell negativ gegenüberstand.

Im dritten Millennium findet eine Neubesinnung auf Humanae Vitae statt. 2008 hält der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn im Abendmahlsaal in Jerusalem bei der Gemeinschaftstagung der Bischöfe Europas eine bemerkenswerte Predigt: „Wir Bischöfe, verschlossen hinter den Türen wegen der Angst, nicht wegen der Angst vor den Hebräern, sondern wegen der Presse, und auch wegen des Unverständnisses unserer Gläubigen. Wir hatten nicht den Mut! In Österreich hatten wir „Die Mariatroster Erklärung“ – wie in Deutschland „Die Königsteiner Erklärung“. Das hat den Sinn des Lebens im Volke Gottes geschwächt, dies hat entmutigt, sich für das Leben zu öffnen. Wie dann die Welle der Abtreibung gekommen ist, war die Kirche geschwächt, da sie nicht gelernt hatte, diesen Mut des Widerstands, den wir in Krakau gesehen haben, den Papst Johannes Paul II. während seines ganzen Pontifikates gezeigt hat, diesen Mut, JA zu sagen zu Gott, zu Jesus, auch um den Preis der Verachtung. Wir waren hinter den verschlossenen Türen, aus Angst. Ich denke, auch wenn wir damals nicht Bischöfe waren, so müssen wir diese Sünde des europäischen Episkopats bereuen, des Episkopats, der nicht den Mut hatte, Paul VI. mit Kraft zu unterstützen, denn heute tragen wir alle in unseren Kirchen und in unseren Diözesen die Last der Konsequenzen dieser Sünde.“

In einem Interview mit der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera sagte Papst Franziskus im Jahre 2014 über Paul VI. und Humanae Vitae: „Seine Genialität war prophetisch, er hatte den Mut, sich gegen die Mehrheit zu stellen, die moralische Disziplin zu verteidigen, eine kulturelle Bremse zu ziehen… Die Frage ist nicht, ob man die Lehre ändert, sondern, ob man in die Tiefe geht und dafür sorgt, dass die Pastoral die einzelnen Lebenslagen und das, wozu die Menschen jeweils imstande sind, berücksichtigt.“ (CNA Deutsch)

Als die Päpste noch Feuerwerke zündeten

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VATIKANSTADT – Ulrich Nersinger.

Ein Jahreswechsel ohne traditionelle Böllerschüsse oder in die Höhe zischende und farbenprächtig explodierende Raketen ist kaum denkbar. In der Nacht zum ersten Januar werden überall unzählige Feuerwerkskörper gezündet und funkensprühende Raketen in den dunklen Himmel geschossen. Auch in der Ewigen Stadt wurde und wird mit diesem Brauch das alte Jahr verabschiedet und das neue begrüßt. Für die Römer aber war in vergangenen Zeiten ein solches Spektakel nicht nur zu Silvester üblich; bis zum Untergang des alten Kirchenstaates kamen sie mehrfach im Jahr in den Genuss eines Feuerwerks, das unsere Silvesterknallerei in den Schatten stellte.

Das Tagebuch eines Domherrn von Sankt Peter berichtet für den 22. Mai 1410 von Feuerwerken in Rom, die nach Erhalt der Nachricht von der Wahl des [Gegen-]Papstes Johannes’ XXIII. (1410-1415) in Bologna gezündet worden seien. Es sollten jedoch noch mehr als siebzig Jahre vergehen, bis man in Rom zu einem Spektakel fand, das alle bisherigen Dimensionen eines Feuerwerkes in den Schatten stellte: die „Girandola“, das Feuerrad auf der Engelsburg. Vermutlich wurde die Girandola erstmals im Jahre 1481 gezündet, zum Jahrestag der Thronbesteigung Papst Sixtus’ IV. (1471-1484). Aus dem letzten Pontifikats Jahr Papst Julius’ III. (1550-1555) existiert eine Medaille, die ein Fass zeigt, aus dem Feuerwerkskörper emporsteigen; die Medaille trägt die ungewöhnliche Umschrift „Hilaritas Pontificia – Päpstliche Heiterkeit“.

Die päpstlichen Feuerwerke wurde als Kunstwerke betrachtet, wohl auch weil sie von Michelangelo (1475-1564) und Gianlorenzo Bernini (1598-1680) konzipiert worden waren. Unter der Girandola verstand man ursprünglich den Strahlenkranz, der durch die Explosion sehr vieler, gleichzeitig abgefeuerter Raketen gebildet wurde. Der letzte Akt des Feuerwerks glich so einem gewaltigen Vulkanausbruch, „dem des Stromboli sehr ähnlich“ (Gianlorenzo Bernini). Durch ein hochkompliziertes Zündsystem wurden zeitgleich 4.500 Raketen in den römischen Himmel geschossen. Das Zeichen zum Beginn dieses einzigartigen Schauspiels gab der Papst gegen zwei Uhr in der Nacht von seiner jeweiligen Residenz aus – mit einem donnernden Kanonenschuss.

Für Reinhard Raffalt baute sich „aus Raketenbahnen und gebündeltem Licht eine himmlische Engelsburg auf, die Apotheose jenes Prinzips, das Rom dazu ermächtigt, den Erdkreis an sich zu ziehen und in den Himmel hinauf zu schleudern“. Noch im 19. Jahrhundert galt die römische Girandola als das wohl bekannteste Feuerwerk der Welt. Sogar an ungewohnter Stelle, in den Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels, findet das prächtige Spektakel Erwähnung. Friedrich Engels verglich die Bestrebungen seiner sozialistischen Gegner, ihre politischen Ansichten publikumswirksam zu präsentieren, mit „einer Girandola, wie man sie in Rom nicht glänzender sehen kann“.

Die prominenten Romfahrer des 18. und 19. Jahrhunderts versuchten ihren Aufenthalt in der Ewigen Stadt so zu legen, dass sie Zeuge einer Girandola werden konnten. Auch Charles Dickens (1812-1870) gehörte zu ihnen. Er hatte unter größten Schwierigkeiten und unter Aufbringung einer hohen Geldsumme ein Zimmer gegenüber dem Castel Sant’Angelo gemietet, einzig für das nicht einmal eine halbe Stunde dauernde Abbrennen der Girandola. In seinen „Bilder aus Italien“ schrieb der englische Poet: „Das Schauspiel begann mit einer donnernden Geschützsalve und dann war zwanzig Minuten oder eine halbe Stunde lang die ganze Burg eine einzige Feuerfläche, ein Labyrinth von Feuerrädern von jeder Farbe, Größe und Schnelligkeit, während hoch in die Luft Raketen stiegen, nicht ein oder zwei oder zwanzig, sondern Hunderte auf einmal. Die Schlussszene – die Girandola – glich einer Explosion der ganzen großen Burg, allerdings ohne Rauch oder Staub“.

Mit dem Ende des alten Kirchenstaates im September des Jahres 1870 verschwanden viele „allegrezze“ (Heiterkeiten, Vergnügungen) aus dem Leben der Ewigen Stadt. Auch die Girandola war davon betroffen. Am 3. Juni 1888 erleuchtete ein letztes Mal eine traditionelle Girandola den römischen Himmel; auf einer bei der Piazza di Popolo eigens errichteten Tribüne wohnten zwei europäische Monarchen, König Umberto I. und Kaiser Wilhelm II., dem Schauspiel bei.

1999 regte der Bürgermeister der Stadt Rom ein der alten Girandola nahekommendes Feuerwerk auf der Engelsburg zum Millenniumswechsel an. Die „Soprintendenza per i beni culturali“, die Aufsichtsbehörde für die staatlichen Kulturgüter, erhob umgehend Einspruch: die Bausubstanz des Kastells, die neueren Aufbauten, die modernen elektrischen und elektronischen Anlagen usw. würden ein solches Feuerwerk nicht unbeschädigt überstehen. Schon zu Zeiten der Päpste waren bei einer Girandola sämtliche „Vigili del fuoco“ (Feuerwehrleute) der Stadt um die Engelsburg herum postiert worden – und auch stets im Einsatz gewesen (trotz der Vorsichtsmaßnahmen der Pyrotechniker kam es immer wieder zu Unfällen; mehr als einmal hatten kleine Brände das Archiv des Kastells bedroht).

In den letzten Jahrzehnten tauchten Feuerwerke wieder vereinzelt im päpstlichen Umfeld auf. So bei der 500-Jahr-Feier der Päpstlichen Schweizergarde im Jahre 2006 oder bei dem ein oder anderen Patronatsfest des Gendarmeriekorps des Vatikanstaates. (CNA Deutsch)

„Ein Dialog muss ehrlich sein“: Ulrich Nersinger über die Ägypten-Reise des Papstes

ROM – In einer guten Woche reist Papst Franziskus nach Ägypten. Der Besuch und sein Grundanliegen eines Dialogs mit dem Islam wird überschattet vom Terror der Islamisten und deren mörderischen Ideologie. Warum und wie ein Dialog mit dem Islam trotzdem möglich sein kann, und welche Rolle dabei die Papstreise spielen kann, ordnet im Interview mit CNA der Vatikanist und Autor Ulrich Nersinger ein.

Mehr zum Thema „Die Päpste und der Islam“ mit Ulrich Nersinger sehen Sie in der gleichnamigen Sendung beim katholischen Fernsehsender EWTN.TV. Die nächste Sendung wird am kommenden Dienstag, 25. April, um 22 Uhr ausgestrahlt.

CNA: Herr Nersinger, in unserem ersten Gespräch über die Päpste und den Islam haben Sie einen guten Rahmen für die Möglichkeiten eines Dialogs des Katholizismus mit dem Islam abgesteckt. Nun wird Papst Franziskus persönlich nach Kairo fliegen, um den interreligiösen Dialog zu unterstützen. Sprengt der Besuch diesen Rahmen?

NERSINGER: Als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Rom St. Paul vor den Mauern, die Basilika und Grabeskirche des großen Völkerapostels, durch einen Brand fast völlig zerstört wurde, versprachen viele Nationen und Länder Europas, darunter auch protestantische und orthodoxe, Hilfe für den Wiederaufbau des Gotteshauses. Aus dem fernen Ägypten bot der dortige Vizekönig, ein muslimischer Potentat, dem Papst Alabaster für die neue Basilika an. Das damalige Oberhaupt der Katholischen Kirche, Gregor XVI. (1831-1846), ein Papst, der von Historikern oft mit dem Etikett „reaktionär“ versehen wird, nutzte die Chance, schickte drei Schiffe unter seiner Flagge zu dem Land am Nil, ließ diese Säulen und Blöcke des kostbaren Baumaterials an Bord nehmen – und iniziierte damit einen frühen christlich-islamischen Dialog. Damals sprengte ein Papst den üblichen Rahmen der Beziehungen zweier Weltreligionen zueinander. Mehr als 170 Jahre später macht sich ein weiterer Nachfolger Petri auf, erneut Begrenzungen hinter sich zu lassen.

Wie hoch sind Ihre Erwartungen denn an diese Reise?

Ich denke, Erwartungen zu formulieren oder über sie zu spekulieren, wird uns nicht weiterbringen. Dafür ist das ganze Problemfeld zu komplex. Bei dieser Reise ist vieles im Fluss und selbst fachkundige Leute dürften sich schwer tun, Entwicklungen, geschweige den Resultate, vorherzusehen. Wer behauptet, das zu können, betreibt Kaffesatzlesen. Als Christen ist uns aber Hoffnung aufgegeben. Und das sollten wir vom Gebet unterstützt tun: Hoffnung haben und vermitteln.

Für uns in der Gegenwart ist die Ägypten-Reise überschattet von den Palmsonntag-Massakern durch Islamisten und jüngst den Versuch von Kämpfern des „IS“, das Katharinenkloster anzugreifen. Was kann und soll der Papst dem Oberhaupt der Kopten, Tawadros II. dazu überhaupt sagen? Stärkt die Katholische Kirche ihren Glaubensbrüdern ausreichend den Rücken?

Angesichts so vieler ermordeter Christen in Afrika und Asien – vor allen im Nahen Osten – steht uns eine Erkenntnis deutlich vor Augen: Das Blutzeugnis für den christlichen Glauben kennt keine Konfessionen. Die grauenvollen Videos der Terrororganisation „IS“, die sich mit dem Abschlachten von Christen brüsten, haben uns in die Zeiten des frühen Christentums zurückversetzt, regelrecht in sie hinein katapultiert! Ein Zusammenrücken der Konfessionen ist daher mehr als nur geboten. Dass der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel anlässlich der Reise des Heiligen Vaters nach Kairo kommt, ist ein gutes und hoffnungsvolles Zeichen. Vielleicht sind die schrecklichen Ereignisse in Ägypten auch ein Impuls dafür, dass die Kirche der Kopten, die ja noch in eine katholische und orthodoxe getrennt ist, wieder zu einer Einheit zurückfindet.

Ich kann mich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass wir in Europa alle viel zu wenig für unsere verfolgten Glaubensbrüder und –schwestern tun und einstehen. Vor kurzem habe ich mich dafür geschämt, dass mich ausgerechnet muslimische Freunde darauf hinwiesen. Vielleicht hilft uns ja der Besuch des Papstes in Ägypten zu mehr Engagement.

Neben der Begegnung mit Tawadros II. wird Franziskus auch mit dem Imam der Azhar sprechen, Ahmaad Mohammad al-Tayyeb. Diesem wirft der koptische Bischof Damian eine zu große Nähe zur Muslimbruderschaft vor. Mit Papst Benedikt hatte der Großimam bekanntlich allen Dialog abgebrochen, weil Benedikt Angriffe gegen Kopten kritisierte. Wie kann hier ein Dialog entstehen, der die christliche Seite nicht schwach aussehen lässt und dadurch fruchtlos bleibt?

Ein Dialog muss ehrlich sein. Dass heißt, Probleme in den Beziehungen zueinander und in den Gesprächen miteinander sind zu benennen, müssen „auf den Tisch“. Man darf sich berechtigten Anfragen nicht verschließen. So ist beispielsweise die Rolle der Gewalt und der Freiheit des Menschen im Koran zu klären. Ein vorgeblich „diplomatisches“ Verschweigen oder bewusstes Verwässern solcher Thematiken ist nicht hilfreich – und zwar von beiden Seiten nicht. Bei allen nötigen Respekt vor der Religion des Gesprächspartners haben Christen den Dialog von ihrer christlichen Identität her zu führen und nicht aus einer Unverbindlichkeit heraus.

Blicken wir abschließend noch einmal aus historischer Perspektive auf die Situation des Islam heute und eines Dialogs mit ihm von christlicher Seite im Jahr 2017. Was muss aus Ihrer Sicht erst einmal alles auf katholischer Seite geschehen, damit ein sinnvoller Dialog in dieser Zeit möglich ist?

Als Katholiken haben wir zunächst einmal zu lernen, was den Dialog eigentlich ausmacht. Hier ist bedauerlicherweise ein unglaublich großes Defizit zu beklagen. Als Abhilfe und unverzichtbares Basiswissen empfehle ich die Lektüre von „Ecclesiam Suam“, der Antrittsenzyklika des seligen Papst Pauls VI. (1963-1978), die zu Recht als die Dialog-Rede der Kirche gilt. In ihr wird grundlegend vermittelt, wie sich der Dialog definiert, mit wem er zu führen ist und wie er von statten zu gehen hat. Dialog ist kein Geplapper und kein unverbindliches Geschwafel – so wird er von der Kirche nicht verstanden und propagiert. Ich erlaube mir, die Ausführungen des Papstes zu wiederholen, die ich schon in unserem ersten Gespräch zitiert habe.

Für Paul VI. hat die Kirche „sich selbst zum Wort, zur Botschaft, zum Dialog zu machen“. Der Papst betont, die Liebe zur Wahrheit verpflichte dazu, „unserer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass es nur eine wahre Religion gibt, und das ist die christliche und dass wir die Hoffnung nähren, dass sie als solche einmal von allen anerkannt werde, die Gott suchen und anbeten. Damit wollen wir aber nicht den geistigen und sittlichen Werten der verschiedenen nichtchristlichen Religionen unsere Achtung und Anerkennung versagen. Wir wollen zusammen mit ihnen, soweit wie möglich, die gemeinsamen Ideale der Religionsfreiheit, der menschlichen Brüderlichkeit, der Kultur, der sozialen Wohlfahrt, der staatlichen Ordnung fördern und verteidigen.“ Über diese gemeinsamen Ideale sei der Dialog möglich: „Wir werden uns immer zu ihm bereit finden, wenn er in gegenseitiger aufrichtiger Hochschätzung auch von der anderen Seite aufgegriffen wird.“ Die Sorge, den Menschen näher zu kommen, dürfe aber niemals „zu einer Abschwächung oder Herabminderung der Wahrheit führen. Unser Dialog kann uns nicht von der Verpflichtung gegenüber unserem Glauben entbinden. Das Apostolat darf keinen doppeldeutigen Kompromiss eingehen bezüglich der Prinzipien des Denkens und Handelns, die unser christliches Bekenntnis kennzeichnen.“

Von diesem Dialog, den uns „Ecclesiam Suam“ und das II. Vatikanische Konzil zum Auftrag geben, können wir uns nicht dispensieren. In der aktuellen Situation, in der sich Christen und Muslime befinden, ist er ein Muss, eine unabdingbare Verpflichtung zum Wohle aller Menschen.

Das Buch „Krieg und Frieden. Die Päpste und der Islam“ ist im Bernardus-Verlag als Taschenbuch erschienen. Es hat 126 Seiten.

Mehr zum Thema „Die Päpste und der Islam“ mit Ulrich Nersinger sehen Sie in der gleichnamigen Sendung beim katholischen Fernsehsender EWTN.TV. Die nächste Sendung wird am kommenden Dienstag, 25. April, um 22 Uhr ausgestrahlt. (CNA Deutsch)

Der Kardinal: Teil des Päpstlichen Leibes

Von Ulrich Nersinger / VATICAN Magazin. Überlegungen und Anfragen zu einer kirchlichen Institution – Ein Kommentar von Ulrich Nersinger.

Die Kardinäle der katholischen Kirche sind immer noch etwas ganz Besonderes. Jetzt ist Unruhe in diesen erlauchten Kreis gekommen. Vier Purpurträger haben „Zweifel“ an dem nachsynodalen Schreiben Amoris Laetitia geäußert und den entsprechenden Brief an Franziskus veröffentlicht, nachdem sie vom Papst keine Antwort erhalten hatten. Dafür wurden sie aus dem Kardinalskollegium attackiert, aber auch verteidigt. Ein Grund, nochmals zu fragen, was Kardinäle eigentlich sind.

Cardinales creantur… Kardinäle werden nicht ernannt, gewählt oder geweiht. Sie werden kreiert, geschaffen, und zwar allein durch eine Willensbekundung des Papstes. So ist ihre Stellung in der Kirche zwar einzigartig, mit höchsten Ehren und dem Privileg der Papstwahl ausgestattet, aber dennoch nur begrenzt eigenbestimmt. Und verlierbar.

Besuch aus Aachen im Vatikan

In den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, gegen Ende des Pontifikats Papst Pauls VI. (1963–1978), waren zwei Schüler und der Direktor des Heilig-Geist-Gymnasiums in Broichweiden bei Aachen im Vatikan zu Besuch. Sie hatten dort in einem Palazzo, nicht weit entfernt vom alten Gästehospiz Santa Marta, auf bequemen, mit Damast bespannten Sesseln Platz genommen. Ihnen gegenüber saß in schwarzer Soutane, mit Ring und Brustkreuz, Sergio Pignedoli (1910–1980), der Präsident des vatikanischen Sekretariates für die Nichtchristen. Was die Kleidung des Geistlichen betraf, verriet nur ein Hauch von Scharlachrot, der sich unterhalb des Kollars zeigte, dass der Gastgeber im Rang eines Kardinals stand.

Seit dem Heiligen Jahr 1975 hatten die Gymnasiasten gemeinsam mit ihrem Direktor Fahrten in die Ewige Stadt organisiert. Jahr für Jahr kamen sie mit Mitschülern in der Osterwoche nach Rom, um hier die frühen Stätten der Christenheit zu erkunden und den Vatikan kennenzulernen. Dazu gehörten auch Besuche bei vatikanischen Einrichtungen: der Schweizergarde, Radio Vatikan, Kurienbehörden – und Kardinälen. Kardinal Pignedoli fragte seine Gäste, ob diesmal nur sie drei in Rom seien. Die Antwort lautete nein. Man habe Seiner Eminenz nur kurz die Aufwartung machen wollen. Die Gruppe besichtige die päpstlichen Museen und zwei Damen, die Schulsekretärin und eine Arbeitskraft (vulgo Putzfrau), würden am Glockenturm, einem Eingang zur Vatikanstadt, auf sie warten.

Der Kardinal stand auf, ging zum Telefon und sprach kurz mit den Wachtposten der Vigilanza (so nannte sich damals die Gendarmerie) und der Schweizergarde, die am Glockenturm Dienst taten. Nicht einmal zehn Minuten später befanden sich die beiden Damen im Palazzo des Kardinals, ein Glas Orangensaft in der Hand.

Für den folgenden Tag lud der Purpurträger die ganze, gut zwanzigköpfige Reisegruppe in seine Residenz. Die vier Ordenschwestern, die seinen Haushalt führten (welcher Skandal für die Pauperisten unserer Zeit!), hatten eine Kaffeetafel hergerichtet, die ihresgleichen suchte. Bei noch dampfendem Espresso, Mineralwasser con gas, frisch gepresstem Orangensaft und einem kühlen Tropfen aus den Albaner Bergen, bei allerlei Dolci, schmackhaften Tramezzini (Sandwichhappen) und großzügig bereitgestellten Zigaretten und Zigarillos (vom Direktor des Gymnasiums kritisch beäugt) hatte sich die recht große Besucherschar eingefunden. Der Kardinal unterhielt sich angeregt mit seinen Gästen – in gebrochenem Deutsch, perfekt auf Englisch und Französisch. Niemanden ließ er unbeachtet, für jeden gab es ein freundliches und interessiertes Wort. Seine Eminenz machte bella figura. Sein Auftreten war nicht eine Spur gekünstelt.

Noch heute prägt es die damaligen Besucher in ihrem Bild von einer Kirche, die in Traditionen und abendländischer Kultur wurzelt und von Offenheit und Menschenfreundlichkeit geprägt ist. Den einem Kardinal nach internationalen Gepflogenheiten zustehenden Rang eines „Prinzen königlichen Geblüts“ (die stets griesgrämig dreinblickenden Vertreter einer ecclesiastical correctness werden die Köpfe schütteln) verband Sergio Pignedoli durch eine zeitgemäße Aktualisierung mit natürlicher Liebenswürdigkeit zu einer beeindruckenden Symbiose.

„Weiter sehen, universeller lieben können“

Das Kardinalat erfährt heute nicht selten rein „ekklesiologisch-pastorale“ Deutungen. Papst Franziskus schrieb 2014 in einem Brief an neunzehn von ihm neu benannte Kardinäle:

„Lieber Bruder, die Kardinalswürde ist keine Beförderung, weder eine Ehre noch eine Zierde. Sie ist schlicht ein Dienst, der danach verlangt, den Blick zu weiten und das Herz zu öffnen. Und dieses Weiter-Sehen- und Universeller-Lieben-Können, mit größerer Intensität, kann man, obwohl das paradox scheint, nur erreichen, indem man dem Weg des Herrn folgt: den Weg des Sich-Kleinmachens und der Demut, wie ein Sklave zu werden (Phil 2,5-8). Deshalb bitte ich dich mit Nachdruck, diese Ernennung mit einem einfachen und demütigen Herzen zu empfangen. Und auch wenn du sie mit Wonne und Freude aufnehmen solltest, passe auf, dass dieses Gefühl weit entfernt ist von jedem Ausdruck der Weltlichkeit.“

Die Einbindung des Kardinalats in die politische und kulturelle Geschichte der Menschheit und sein Dialog mit und in der Welt scheint dem jetzigen Heiligen Vater kein mehr zu förderndes Charakteristikum seines Senats zu sein. In der Vergangenheit verband man die Dinge miteinander.

Kein Selbstzweck

Als Giovanni de’ Medici mit siebzehn Jahren Kardinal wurde, schärfte ihm sein Vater, der große Lorenzo il Magnifico, ein: „Steht früh auf, denn Euer Stand verpflichtet Euch, das Brevier zu beten und Empfänge zu geben.“ Der Respekt, die Ehren und das Zeremoniell, die einem Mitglied des Heiligen Kollegiums zukamen (und zukommen), waren ebenso wie das Auftreten eines Kardinals kein Selbstzweck. Reinhard Raffalt merkte in seinem Buch „Wohin steuert der Vatikan?“ an, dass die Anmut der Rede und der Schliff der Umgangsformen bei den Purpurträgern nicht Ausdruck der Hoffart waren. Er zitierte einen Ausspruch von Kardinal Valerio Valeri: „Die Ehren, die wir empfangen, geben uns die Möglichkeit, jene zu ehren, die sie uns entgegenbringen.“

Die Päpste haben das Recht, ihren Senat zu formen und zu reformieren. Das Heft des Handelns liegt in ihrer Verantwortung. Aber schließt ein solches Handeln nur das Jetzt ein? Muss nicht der Blick auch in die Vergangenheit gehen? In die Jahrhunderte, auf eine Vielzahl von Jahrhunderten gerichtet sein? Und verdient nicht auch das Kardinalat eine Akzeptanz der Plurialität der Tugenden und Charismen, als auf ein einziges Verhalten, nur eine Haltung begrenzt zu werden? Ein Ideal muss verinnerlicht sein. Was nützt es, bei Brustkreuzen (wenn man sie denn trägt) von Silber oder Gold zu Eisen oder Holz zu wechseln, aber unter der Soutane das Armgelenk mit einer Rollex zu schmücken? Was bringt es, der „Welt“ zu entsagen, aber dem Zeitgeist rekordverdächtig nachzulaufen und dies dann auch noch publik zu machen? Kardinäle haben Männer zu sein! Jeglichem Verlangen nach Genderismus zum Trotz und zur Beschämung. Wladimir d’Ormesson, langjähriger Botschafter Frankreichs beim Heiligen Stuhl, bekannte einmal zu Kardinal Eugene Tisserant (1884–1972): „Jedesmal, wenn ich in den vatikanischen Museen die Rüstung sah, die Papst Julius II. getragen hat, stellte ich mir vor, wie vortrefflich sich Eure Eminenz darin ausnehmen würde, das Banner der Kirche in gepanzerter Faust.“

Die Kreaturen des Papstes

In der römischen Antike, zur Zeit der Cäsaren, galten die Senatoren als pars corporis Imperatoris, als Teil des kaiserlichen Leibes. Ähnlich eng wurde später von Theologen und Rechtsgelehrten das Verhältnis der Kardinäle zum Papst gesehen; sie galten als pars corporis Papae, als Teil des päpstlichen Leibes (Cod. Just., IX, VIII, 5). Diese enge „organische“ Verbindung erklärt auch, warum die Kardinäle nicht ernannt, sondern kreiert werden – vom lateinischen creare (erschaffen).

Sie gelten als Kreaturen, Geschöpfe des Papstes, die allein dem Obersten Hirten und keinem anderen Souverän dienen und verantwortlich sind, nur ihm zugehören. Doch die Begrifflichkeit „Kreatur“ muss stets in ein christliches Verständnis eingebunden sein. So ist ein beseeltes Geschöpf mitnichten ein Spielzeug, keine willenlose Figur auf einem Schachbrett. Sie hat Persönlichkeit. „An der Größe und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf den Schöpfer schließen“, heißt es im Buch der Weisheit 13,5.

Noch in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurde bei der Kreierung neuer Kardinäle ein eigenartig erscheinender Brauch geübt: die Schließung und Öffnung des Mundes. Zu dieser Zeremonie sprach der Papst die Worte: „Wir schließen Euch den Mund, so dass Ihr weder in den Konsistorien noch in den Kongregationen oder in anderen Funktionen, die zur Würde des Kardinalates gehören, Eure Meinung äußern könnt.“

Darauf vergingen einige Minuten und der Papst hielt eine kurze Ansprache, bei der er die neuen Purpurträger lobte. Dann sagte er: „Wir öffnen Euch den Mund, so dass Ihr in den Konsistorien, in den Kongregationen und in den anderen Funktionen, die zur Würde des Kardinalates gehören, Eure Meinung äußern könnt“. Das Schließen und Öffnen des Mundes war eine Erinnerung an die Probezeit, welche die Kardinäle früher als eine Art Noviziat bestehen mussten.

Als Papst Paul VI. im Jahre 1970 das aktive Wahlrecht der Kardinäle auf achtzig Lebensjahre begrenzte und damit den Senioren unter ihnen den Einzug ins Konklave verwehrte, begann man im Senat des Papstes zu murren. Die Kritik der Entmachteten blieb in der Öffentlichkeit verhalten. Die verbale und die direkte Auseinandersetzung mit dem Papst scheute das Kardinalskollegium in toto, eine Antwort auf die Beschneidung seiner traditionellem Vorrechte gab es ihm dennoch. Als im Jahre 1972 der Dekan des Kardinalskollegiums starb, galt es einen neuen zu wählen. Die Senatoren des Papstes entschieden sich für den 90-jährigen ehemaligen Kardinalstaatssekretär Cicognani. So kann auch, ohne ein einziges Wort zu verlieren, ein kraftvolles und eindeutiges Votum gegenüber dem Pontifex Maximus abgegeben werden.

Kardinäle haben das Recht, ja die Pflicht, zum Wohle des Papstes und der Kirche ihre Meinung kundzutun. Sie sollten dem in der Regel durch das gesprochene oder geschriebene Wort nachkommen. Und wenn es durch Bedeutung und Schwere des Anliegens geboten erscheint, suaviter in modo, fortiter in re – stark in der Sache, mild in der Methode, wie es in der Gesellschaft Jesu üblich ist. Kürzlich haben hochverdiente Mitglieder des Kardinalskollegiums dies beherzt. Mit Respekt vor der Person und dem Amt des Obersten Hirten der Kirche trugen sie dem Heiligen Vater ihre Sorgen vor. Sie wurden ihrem Auftrag als Berater des Papstes und Stützen des Petrusamtes gerecht.

Nichts an ihrem Vorgehen ist unbotmäßig, geschweige denn verwerflich oder „verbrecherisch“. In der kirchlichen Öffentlichkeit mussten sich die vier Purpurträger den Tiraden eines Kirchenrechtsprofessors aus der deutschen Provinz (eine bekannte katholische Journalistin sprach von „Giftzwergigkeit“), den untergriffigen „Mitteilungen“ eines dubiosen vatikanischen Twitteraccounts und den nicht minder dubiosen Interpretationen des kanonischen Rechts durch einen vatikanischen Höchstrichter aussetzen. Der Tenor der Angriffswelle schien nicht nur in Ansätzen jenem wütenden Geschrei zu gleichen, das zu Zeiten der Französischen Revolution zu Füßen der Guillotine zu vernehmen war. Zwar wurden noch nicht die Köpfe, wohl aber schon die Roten Hüte der vier Eminenzen gefordert. Man fragt sich, worüber mehr Verwunderung angesagt ist, über die Arroganz und Überheblichkeit der Angreifer, deren fundamentalem Verlust der Anständigkeit oder ihrem Mangel an fachlichem Wissen. Eines steht auf jeden Fall fest: Die Kardinäle erfreuen sich des privilegium canonis und des privilegium fori, wonach allein der Papst in Rechtsfragen und -angelegenheiten für sie zuständig ist.

Als ein Pontifex Maximus früherer Zeiten einmal einem Kardinal bei einem heftigen Streit den Verlust des Purpurs androhte, gab der pars corporis Papae mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme zu bedenken: „Man amputiert und verstümmelt sich nicht selbst“. Nur selten nahmen die Päpste Kardinälen den Roten Hut. Es mussten schon schwere Vergehen und Verbrechen sein, die sie dazu zwangen: Angriffe auf das depositum fidei der Kirche, Attentate auf Leib und Leben des Heiligen Vaters. Aber selbst in diesen Fällen geschah nicht selten – wenn die Betroffenen Einsicht in ihre Schuld und echte Reue gezeigt hatten – die Wiedereinsetzung in den früheren Stand. Noch nie sind Kardinäle, die in tiefer Sorge um das Seelenheil der Gläubigen vor den Papst traten, bestraft, ihrer Würde beraubt worden.

Eine Institution, deren Ursprung sich bis in die frühen Zeiten der Kirche zurückverfolgen lässt, verdient Respekt und mit Anstand behandelt zu werden. Vor allem ihre aktiven Mitglieder, egal ob sie nun das achtzigste Lebensjahr vollendet haben oder nicht. Es gilt, die katholische Freiheit eines Christenmenschen zu verteidigen und zu fördern. Jemanden mundtot zu machen, ist das Signum der Diktaturen. Und Proskriptions-Listen, die sollte man ganz in der heidnischen Antike hängen lassen.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von Vatican Magazin.

Hinweis: Kommentare spiegeln die Meinung des Autors wieder, nicht unbedingt die der Redaktion von CNA Deutsch. (CNA Deutsch)

„Die Zeiten eines Caligula sind eben nicht nur Geschichte“ – Über den unbekannten Vatikan

Ulrich NersingerKÖLN – Selbst in unserem – vermeintlich – säkularen Zeitalter übt der Vatikan eine beispiellose Faszination auf die Menschheit aus. Das hat viele Gründe, wie der bekannte Autor Ulrich Nersinger in seinem Buch „der unbekannte Vatikan“ spannend erzählt – und nun auch in einer neuen Fernsehserie bei EWTN – Katholisches Fernsehen zusammen mit Robert Rauhut zeigt. CNA sprach mit dem Leiter, Kommunikation von EWTN über die Sendung, die Teil des neuen Programms des Senders ist.

CNA: Herr Rauhut, wie kam es zu der Idee, eine Reise ins Herz der Weltkirche zu machen?

ROBERT RAUHUT: Herr Ulrich Nersinger, der Gesprächspartner, ist nicht nur Theologe und Historiker sondern auch einer der profundesten Kenner im deutschen Sprachraum des kleinsten Staates der Welt – des Vatikans. Es ist eine wahre Freude ihm zuzuhören, wenn er den Zuschauern neue und unbekannte Facetten jenseits der Vatikan-Mauern eröffnet. Für EWTN Deutschland ist der Vatikan und der Papst ein Schwerpunkt der Berichterstattung. Es seien allein die zahlreichen Live- und Sondersendungen von Heiligen Messen und Generalaudienzen genannt, die wir aus der ewigen Stadt bringen. Schließlich sind da auch die Papstreisen. Wir wollen den Zuschauern die verschiedenen Dimensionen des Vatikans einfach näherbringen – sachlich und fundiert, getragen von einer Liebe zum Glauben und zur Wahrheit.

In der ersten Folge blicken Sie auf den buchstäblichen Vatikan-Hügel und das Feld gleichen Namens und seine verrufenen Ursprünge…haben Sie diese negativen Ursprünge überrascht?

Da der Vatikan auch mir nicht ganz unbekannt ist, vielleicht nicht direkt überrascht, aber sicherlich Neues hat sich auch mir erschlossen. Die Zeiten eines Caligula oder eines Nero sind eben doch nicht nur Geschichte, sondern sie besitzen Bedeutung für die Gegenwart. Denken wir einmal an die Christenverfolgungen weltweit, die es auch heute leider nach wie vor gibt. Leider kennen die Christen dies auch aus der Ursprungszeit der Gemeinde in Rom. Und wenn wir einmal die Epochen wie Räume durchwandern, dann gibt es Licht und Schatten. Es ging und geht manchmal menschlich, allzu menschlich zu… Der Mensch denkt, Gott lenkt!

Was erwartet die Zuschauer in den kommenden Folgen?

Gerade erst hat der Heilige Vater neue Kardinäle kreiert. Wir erfahren u.a. mehr über das Kardinalskollegium. Deren wichtigste Aufgabe ist die Wahl eines neuen Papstes. Wir schauen auf den diplomatischen Dienst. Bis heute ist es Gepflogenheit, dass in vielen Ländern der Welt der päpstliche Botschafter, der Nuntius, Doyen der Botschafter in einem jeweiligen Land ist. Der Zuschauer erfährt etwas über den Unterschied von Heiligem Stuhl und Vatikanstaat. Vor unserem geistigen Auge erschließt sich der Apostolische Palast und die anderen ehemaligen Residenzen der Päpste. Wir schauen auf die berühmte Römische Kurie, die gegenwärtig reformiert wird. Fides et Ratio – Glaube und Vernunft gehören zusammen. Wir widmen uns dem Vatikan als Förderer der Wissenschaft. Es geht aber nicht nur ernst zu. Auch manch Humorvolles gibt es aus den heiligen Hallen und Gängen zu berichten. „Der unbekannte Vatikan“ ist nicht nur eine Einladung den Vatikan näher kennenzulernen. Manch einer kommt vielleicht auf den Geschmack, um zum Grab des Hl. Petrus zu pilgern… (CNA Deutsch)

Buchtipp: Attentat auf den Glauben – das Martyrium des Óscar A. Romero

Attentat auf den Glauben _NersingerUlrich Nersinger: Attentat auf den Glauben – das Martyrium des Óscar A. Romero. Ein Gespräch mit dem Autor.

Über einen prominenten neuen Seligen der Kirche hat der Historiker und Journalist Ulrich Nersinger ein Buch vorgelegt: Erzbischof Oscar Arnulfo Romero von San Salvador ist ein Märtyrer der katholischen Kirche. Er starb am 24. März 1980 am Altar beim Feiern der Messe durch den Schuss eines Auftragsmörders. Romero stand der Theologie der Befreiung nahe. Er hatte sich im Sinn des Evangeliums für Gerechtigkeit eingesetzt und war daher mit der salvadorianischen Militärdiktatur in Konflikt geraten. Papst Franziskus sprach Erzbischof Romero ihn am 23. Mai 2015 in San Salvador selig.

RV: Warum gab es so viel Polemik um diese Seligsprechung?

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es im Grund bei fast allen Selig- und Heiligsprechungen der letzten Zeit zu Polemiken kam. Natürlich bei Romero besonders. Es hängt damit zusammen, dass man sich mit dem eigentlichen Geschehen bei einer Heiligsprechung nicht beschäftigt und bestimmte Personen von bestimmten Seiten für sich vereinnahmen will. Da versucht die Kirche einen Riegel vorzuschieben, denn sie will die künftigen Seligen und Heiligen im Kontext des Glaubens sehen und nicht in irgendeiner Richtung oder einer Politik vereinnahmt wissen.“

RV: Kurz ein Blick auf die Biografie: Warum gilt Romero er auf gewisse Weise als politischer Seliger?

„Weil es auch mit der Politik sehr eng verbunden ist. Was wichtig ist, um Romero wirklich zu erkennen, ist ihn sich anzuschauen: Was hat er geschrieben, was hat er gesagt, wie hat er gehandelt. Das ist viel zu wenig gemacht worden. Wir haben einige Begriffe, die – ich sage es salopp – hingeknallt werde, aber man hat sich nicht mit der Person selber im klassischen Sin beschäftigt. Wenn man sich mit ihm beschäftigt, merkt man, dass alle die Kategorien rechts links eigentlich lächerlich sind, sondern dass man alles aus dem Glauben heraus beachten muss.“

RV: Warum hakte das Seligsprechungsverfahren, bis Franziskus wieder Schwung hineinbrachte?

„Es war eigentlich schon Papst Benedikt XVI., der das gelöst hat, im Zusammenspiel mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller von der Glaubenskongregation. Beide sind Theologen und haben gesehen, wie die theologische Dimension beim Martyrium und speziell bei Romero ist. Sie waren überzeugt davon, dass es eine wichtige Causa ist, die vorangetrieben werden muss.“

RV: Was lehrt uns Romero, ist es ein klassischer Märtyrer?

„Ich würde sagen ja. Denn es zeigt sich, dass er alle Entscheidungen, die er getroffen hat, nicht aus einer politischen Haltung heraus, sondern aus dem Glauben heraus gemacht hat. Solche Entscheidungen sind sehr wichtig, gerade in unserer Zeit: Sie zeigen, dass, wenn ich als Christ etwas mache, ich das aus meiner Überzeugung heraus vollziehe, und das konsequent vollziehe. Das macht Romero als Vorbild ideal für uns.“

RV: Warum gilt das Martyrium in der katholischen Kirche als Hochform und Grundgestalt der christlichen Heiligkeit?

„Wenn wir in die Zeit der Evangelium zurückgehen, sehen wir, dass eigentlich Christus das Urbild der Märtyrer ist, der für die Überzeugung Gottes Bekenntnis bis zum Tode ablegt. Man kann das Martyrium nur begreifen von Christus selber her und dann von den Christen her, die in aller Konsequenz, bis zum Vergießen des eigenen Blutes, nachgefolgt sind.“

RV: Vergießen des eigenen Blutes: Wie zeitgemäß ist das Martyrium heute?

„Wenn wir einen Blick werfen auf die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten, sehen wir, wir wichtig die Beschäftigung mit dem Martyrium ist. Wir erfahren dauernd hautnah, wie gefährlich es geworden ist, für den Glauben einzustehen – dass das aber eben auch eine Hoffnung und eine Stärkung für uns alle ist.“

Ulrich Nersinger: Attentat auf den Glauben – das Martyrium des Óscar A. Romero. Bernardus-Verlag 2015. Rund 15 Euro.

Der Autor spricht am 22. März 2016 um 19.30 Uhr im Domforum in Köln über das Martyrium des seligen Erzbischofs Óscar A. Romero. (rv)