Das Parlament in Paris hat auf einer Sondersitzung den ersten Schritt zu einer Legalisierung der Ehe von zwei Partnern desselben Geschlechts getan. Mit 249 Ja- gegen 97 Nein-Stimmen billigte die „Assemblée Nationale“ am Samstagabend nach tagelanger, heftiger Debatte den Satz: „Ehe ist eine Verbindung von zwei Personen unterschiedlichen oder desselben Geschlechts.“ Der Satz ist ein Kernstück im Gesetzesvorschlag, der homosexuellen bzw. lesbischen Paaren die Ehe ermöglichen soll. Um in Kraft zu treten, muss auch noch der Senat dem Vorschlag zustimmen.
Die Debatte im Parlament hatte am letzten Dienstag begonnen; zuvor hatten kirchliche und andere Gruppen eine Massendemo gegen die „Ehe für alle“ in Paris durchgeführt. Die „Ehe für alle“ ist ein Wahlversprechen des neuen sozialistischen Präsidenten Francois Hollande. Er hielt sich am Samstag in der Stadt Timbuktu in Mali auf, die vor wenigen Tagen von französischen und malischen Soldaten aus der Hand von Islamisten befreit wurde. Hollandes Mali-Besuch hat in den Medien die Debatte über gleichgeschlechtliche Ehen von den Titelseiten verdrängt.
Eine knappe Mehrheit der Franzosen befürwortet eine rechtliche Aufwertung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Doch der Widerstand nicht nur aus der Kirche, sondern von gesellschaftlichen Gruppen hat in Frankreich viele überrascht. Der Gesetzesvorschlag, der der „Assemblée Nationale“ vorliegt, beinhaltet auch ein Adoptionsrecht für homosexuelle oder lesbische Paare. Die Parlamentsdebatte über die „Ehe für alle“ soll am 12. Februar mit einem Schlussvotum beendet werden.
Kardinal: „Einen Schritt näher am Abgrund“
Das Parlament beschloss am Samstag auch, dass Bürgermeister und Beamte sich nicht aus Gewissensgründen weigern dürfen, ein gleichgeschlechtliches Paar staatlich zu trauen. Einen solchen „Gewissensvorbehalt“ hatte die Opposition ins Gesetzeswerk einzuspeisen versucht. Etwa 5.000 Änderungsanträge insgesamt kamen von der Opposition, also im wesentlichen von der bürgerlichen „UMP“ des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy. „Wir sind glücklich und stolz, diese erste Etappe geschafft zu haben“, erklärte Justizministerin Christiane Taubira nach dem Votum in der „Assemblée“ am Seine-Ufer. Im März will sie ein weiteres Gesetzesvorhaben im Parlament vorlegen, das gleichgeschlechtlichen Paaren auch künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft erlauben soll. Zu diesen beiden Punkten gibt es bei Umfragen (noch) keine Mehrheit in der Bevölkerung. Auch Hollande äußert sich in dieser Hinsicht verhaltener als zur „Ehe für alle“.
Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, reagiert bestürzt auf das Pariser Votum. „Damit sind wir einen Schritt näher am Abgrund“, zitiert die Tageszeitung Corriere della Sera vom Sonntag den Kardinal. Italien dürfe sich daran „keinesfalls ein Beispiel nehmen“. (rv)