Ist denn Christus zerteilt? Mit dieser Frage aus dem Ersten Korintherbrief beschäftigt sich die diesjährige Gebetswoche für die Einheit der Christen, die am Samstag beginnt. Es sei für alle Gläubigen eine Last, dass 2.000 Jahre nach dem Wirken Jesu die Christen nicht vereint seien, sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der vatikanische Ökumeneverantwortliche, Kardinal Kurt Koch.
„Das Thema der Gebetswoche ist meiner Meinung nach eine große Herausforderung: Natürlich kann Christus nie geteilt sein. Das galt auch für sein Leib, doch trotzdem haben wir in der Geschichte viele Spaltungen und Trennungen. Die provozierende Frage, die die diesjährige Gebetswoche stellt, muss neu die Grundfrage der Ökumene sein, denn die Spaltungen entsprechen nicht dem Willen Christi. Dies müssen wir unbedingt überwinden.“
Dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen war schon immer von diesem Zustand enttäuscht.
„Mich hat als Kind schon immer die Tatsache berührt, dass die Römer in der Passionsgeschichte alles von Jesus untereinander verteilt haben, außer den Leibrock. Sie wollten ihn ganz lassen. Dieser Leibrock ist so in der ganzen Geschichte zum Zeichen der Einheit der Kirche geworden. Mich hat dann besonders berührt, dass wir Christen das gemacht haben, was nicht einmal die römischen Soldaten gemacht haben: diesen Leibrock haben wir zerfetzt. Wir haben nun viel Arbeit vor uns, um diesen Rock wieder zusammenzufügen.“
Der Papst wird voraussichtlich am kommenden Mittwoch bei der Generalaudienz und bei der Vesper in der Basilika St. Paul vor der Mauern zum Abschluss der Gebetswoche über Ökumene sprechen. Kardinal Koch selber war vor wenigen Wochen in Osteuropa und hat in der Ukraine, Rumänien und Russland Vertreter der Orthodoxie getroffen.
„Da müssen wir unterscheiden zwischen dem Dialog der Liebe – also den Beziehungen der Freundschaft und Brüderlichkeit – und dem theologischen Dialog. Da haben wir seit 2010 leider keine Vollversammlung der Gesprächskommission. Wir bereiten uns derzeit auf das nächste Treffen im Herbst in Serbien vor. Nun hat sich allerdings etwas ereignet, was diesen Dialog ein bisschen erschwert. Das russisch-orthodoxe Patriachat hat ein Dokument zur Frage des Primats [der Vorrangstellung des Papstes, Anm.] veröffentlicht. Es handelt sich um eine Stellungnahme zum Dialog, der eigentlich mit allen orthodoxen Kirchen geführt wird. Jetzt müssen wir also den Weg neu suchen in dieser Kommission.“
Doch immerhin hätten auch andere orthodoxe Metropoliten sich dazu öffentlich geäußert, und so könne dieser Alleingang Moskaus als Impuls verstanden werden, fügt Koch hinzu. Allerdings zeigen solche Vorkommnisse, wie „zerteilt“ die Orthodoxie sei. Koch sagte, er hoffe und bete deshalb darum, dass die orthodoxen Schwesterkirchen bald ein Panorthodoxes Konzil durchführen werden, damit die Einheit unter ihnen gestärkt werde.
Auf der anderen Seite das Gespräch mit den Gemeinschaften und Kirchen der Reformation, die sich derzeit auf das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation in drei Jahren vorbereiten. Dazu sagt der Schweizer Kurienkardinal:
„Die Reformation ist ein vielfältiges Phänomen und hat sehr verschiedene Gesichter. Ich denke hierbei an die Reformation in der Schweiz, die etwas ganz anderes war als jene in Deutschland. Die Reformation in den nordischen Ländern waren etwas nochmals ganz anderes, weil dort die Könige die Kirchenzugehörigkeit bestimmten. Das alles unter dem Oberbegriff ,Reformation 2017´ zu bringen, ist nicht so ganz einfach. Immerhin wurde im vergangenen Herbst in Zürich ein Vorbereitungskongress durchgeführt.“
Der Päpstliche Rat für die Einheit der Christen ist auch für das Gespräch mit dem Judentum zuständig. Kardinal Koch findet es positiv, dass in vielen Ländern der Tag vor der Gebetswoche – also diesen Freitag – ein Gedenktag für den Dialog mit dem Judentum durchgeführt wird.
„Der große katholische Theologe Erich Przywara hat einmal gesagt, dass die erste Trennung im Christentum jene gewesen sei zwischen Synagoge und Kirche. Deshalb gehört die Versöhnung zwischen Christen und Juden mit zu den ökumenischen Bemühungen der katholischen Kirche.“
Die Texte zur internationalen Gebetswoche für die Einheit der Christen hat in diesem Jahr eine kanadische Gruppe vorbereitet. In dieser Gruppe sind Vertreter der verschiedenen Kirchen dabei. Bei den Texten handelt sich um Meditationen und Beiträge, die für ökumenische Gottesdienste verwendet werden können. (rv)