Mit seinem Besuch bei italienischen evangelikalen Christen in Süditalien hat Papst Franziskus ein neues Kapitel der Ökumenebemühungen der katholischen Kirche aufgeschlagen, mit seiner Vergebungsbitte dort auch gleich persönlich und als Papst einen großen Schritt getan. Die Reaktionen blieben nicht aus, die meisten aus der evangelikalen und pfingstlerischen Tradition kommenden Kirchen begrüßen den Schritt des Papstes.
Aber wem ist der Papst da eigentlich genau begegnet? Da fangen die Probleme mit dieser Ökumene an, denn so einfach zu beschreiben ist das nicht, was genau wir unter „evangelikal“ verstehen. Das sagt Burkhard Neumann, Direktor am Johann Adam Möhler Institut für Ökumene in Paderborn. Man könne damit Gemeinschaften in Kirchen bezeichnen, Frömmigkeitsformen oder bestimmte Gemeinschaften.
„Es ist sozusagen eine Sammlung von ganz unterschiedlichen Gruppierungen, die sich durch ein paar Grundelemente – bei allen Unterschiedlichkeiten – miteinander verwandt oder verbunden fühlen. Das sine Elemente, bei denen es besonders um die persönliche Erweckung geht, die persönliche Umkehr, dann natürlich die Anerkennung der absoluten Autorität der Bibel für den Glauben und eine ganz starke Akzentuierung des Missionsauftrages.“
Klassische Fragen des Dialoges zur sichtbaren Einheit der Kirche treten da eher zurück, sagt Neumann, das sei für viele Evangelikale – nicht alle – eher nicht so wichtig. Dazu kommen dann noch einmal die Kirchen aus der pfingstlerischen Tradition. Dort könne man gut beobachten, dass es auf der einen Seite institutionalisierte Gruppen gibt wie etwa in den Freikirchen organisierte, auf der anderen Seite aber auch Bewegungen, die keine Strukturen entwickeln.
„Die Frage des organisiert-Kirche-Seins tritt an dieser Stelle zurück, es ist eine sehr erfahrungsbetonte Form von Christentum, wo man auch ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass die Gaben des Heiligen Geistes, von denen im Neuen Testament berichtet wird, auch heute noch präsent sind. Das kann das Sprechen in Zungen sein, das kann das Abwehren böser Geister und Dämonen sein, das können Heilungswunder sein. In vielen Pfingstbewegungen geht man davon aus, dass so wie der Geist damals gewirkt hat so wirkt er heute auch.“
Diese Form des Glaubens ist im Zuge der Wahl Jorge Mario Bergoglios zum Papst vor allem in Lateinamerika verortet worden, riesige Tempelbauten in Brasilien oder wachsende Gemeinden in Argentinien sind immer wieder Thema, aber auch die Saddleback-Churches in den USA, Großgemeinden in dieser Tradition, sind ein bekanntes Phänomen. Auch in Asien und Teilen Afrikas gibt es diese Form des Glaubens.
„Hier in Deutschland stand man der Pfingstbewegung relativ schnell von Seiten der Kirchen und auch der Freikirchen abwehrend gegenüber. Deswegen ist bei uns diese Form des Christentums längst nicht so verbreitet wie in Lateinamerika oder in Asien.“
In den Gemeinden von Migranten dagegen komme diese Form des Glaubens aber durchaus auch bei uns vor, so Neumann. Eine andere Form sei, dass die etablierten Kirchen diese Formen selber aufgenommen hätten, etwa in der Form der charismatischen Erneuerungsbewegung.
Was die Ökumene mit Gemeinschaften dieser Tradition angeht, stellen sich ganz andere Fragen als in der traditionellen Ökumene, so Neumann. So hat es zwar in den 70er und 80er Jahren einen Dialog zwischen römisch-katholischer und evangelikalen Kirchen gegeben, in dem man sich über Mission und Glaubenserfahrung ausgetauscht habe.
„Es gibt auch einen Dialog mit Vertretern der Pfingstkirchen – nicht mit Den Pfingstkirchen, weil sie nicht weltweit organisiert sind – der mittlerweile auch schon fünf Phasen hinter sich gebracht hat und Erfahrungen aus der Pfingstbewegungen und deren theologische Reflexion einbringt in das Gespräch mit römisch katholischer Theologie.
Eine Herausforderung dabei ist natürlich die Erfahrungsdimension des Glaubens, wo wie aus der Tradition der Mystik mit einer gewissen kritischen Unterscheidungsgabe daran herangehen und sehr genau hinschauen, wo tatsächlich eine Gabe des Geistes als solche Erkennbar ist. Das ist das klassische Prinzip der Unterscheidung der Geister, das sich durch die ganze Spiritualitätsgeschichte zieht. Da ist die Frage nach der Beziehung von Erfahrung und Glaube und danach, wie ich den Glauben erfahren kann und ich diese Erfahrung unterscheiden kann von Illusionen und selbst gemachten Erfahrungen sicherlich ein ganz wichtiger Punkt.“
In Institutionen wie dem World Christian Forum und anderen würde man an Kontakten und Gesprächen arbeiten, die in der klassischen Ökumene, wie es sie etwa im Weltkirchenrat gäbe, nicht vorkämen.
„Und da muss man erst einmal abwarten, was daraus wächst. Ich denke, dass wie in allen anderen Bereichen auch das Wichtigste die persönlichen Beziehungen und Erfahrungen sind. Das merkt man jetzt ja auch an diesen Initiativen von Papst Franziskus, die aus solchen Erfahrungen kommen. Das hilft, Vorurteile erst einmal abzubauen und dann den anderen als Menschen, als Glaubenden und als Christ wahr zu nehmen und ernst zu nehmen.“ (rv)