Die katholische Kirche in Weißrussland will sich angesichts der angespannten Lage in dem Land nicht instrumentalisieren lassen; das erklärt möglicherweise ihre Zurückhaltung im Kontext des harten Vorgehens der Regierung gegen Oppositionelle nach den letzten Präsidentschaftswahlen. Zu dieser Einschätzung kommt im Gespräch mit Radio Vatikan Martin Lenz vom katholischen Osteuropahilfswerk Renovabis. Der katholische Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, sei mit Präsident Lukaschenko am 28. Dezember zusammengetroffen, erzählt Lenz, und da gab es ein interessantes Detail:
„Man hat sich dort gegenseitig relativ freundlich zu Weihnachten Grüße überbracht. Aber ich denke, es ist auch eine Aussage, dass bei dieser Gelegenheit nicht gratuliert wurde. Die weißrussische katholische Kirche versucht, sich nicht politisieren zu lassen. Es wird keinerlei parteipolitik betrieben. Natürlich ist man als Großinstitution im Lande auf eine Kooperation mit dem Staat angewiesen, aber gleichzeitig möchte man nicht parteipolitisch irgendwo in die Vorgänge involviert werden. Gleichwohl ist natürlich schon die Einstellung der Kirche insgesamt, dass man Bürgerbeiteiligung und natürlich die Wahrung der Menschenrechte sld unumgänglich ansehen würde."
Nach der Bestätigung von Präsident Aleksandr Lukaschenko im Amt kam es in Minsk zu Demonstrationen der Opposition. Sie wirft dem Präsidenten Wahlfälschung vor. Die Präsidentschaftswahl sei nicht durchgehend durch internationale Wahlbeobachter beobachtet worden, so Lenz dazu. Bei Verhaftungen nach der Großdemonstration in Minsk am Abend des 19. Dezember seien bis zu 600 Oppositionelle und Regierungsgegner verhaftet worden. Beobachter und Augenzeugen berichteten von Gewalt und Menschenrechtsverstößen. In den letzten Tagen gebe es Probleme mit Zensur der Medien, so Lenz:
„Nach meinen Informationen ist die Mehrzahl der am 19. verhafteten Personen wieder frei gelassen worden. Was jetzt in den letzten zwei Tagen ziemlich massiv ist, ist der Druck der Sicherheitsorgane in Weissrussland auf Berichterstatter. Die wurden relativ stark bedrängt. Es wurden Durchsuchungen in Privatwohnungen, in Redaktionen vorgenommen, Telefonanschlüsse und Internetanschlüsse blockiert."
Der umstrittene Präsident habe vor allem in der ländlichen Bevölkerung Rückhalt, so Lenz. Diese Menschen hätten vermutlich von den Ausschreitungen gar nicht viel mitbekommen:
„Auch innerhalb des Landes wurde natürlich nicht sehr stark darüber berichtet, sondern die Berichterstattung war sehr tendentiös und eingeschränkt. Nach den Erfahrungen auch der letzten Wahlen ist es sehr stark anzunehmen, dass jetzt versucht wird, die ganze Sache mit einem gehörigen Druck fortzuführen, aber immerhin die Situation auch wieder zu beruhigen. Und dann wird aller Voraussicht nac einfach versucht werden, so weiter zu regieren, in einem präsidential-autoritären Stil wie bislang."
Präsident Lukaschenko ist seit 1994 im Amt. Schon seine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen 2006 war umstritten, da sie der früheren weißrussischen Verfassung widersprach. Per Referendum ließ er im Oktober 2004 die Verfassung aber so ändern, dass für ihn keine Beschränkungen der Amtszeiten mehr gelten. (rv)