DUBLIN – Die von Skandalen in Chile, Honduras, Australien und nun den USA neu ausgelösten Diskussionen über sexuellen Missbrauch, Vertuschung, Scheinheiligkeit und unsittliches Verhalten durch Priester und Bischöfe sollte sich auch mit dem Anliegen einer anderen Gruppe befassen: Den von Priestern und Ordensleuten gezeugten Kindern.
Das fordert der Gründer einer Website zur Unterstützung der Betroffenen.
Die Kinder von Männern und Frauen, die trotz ihrer Berufung zum ehelosen Leben als Priester oder Ordensfrau eigenen Nachwuchs bekommen haben, stehen vor besonderen Herausforderungen, so Vincent Doyle.
Der Psychotherapeut gründete im Jahr 2014 das Portal „Coping International„, um Betroffenen Ressourcen und Unterstützung anzubieten.
„Ich wollte einen von der Kirche unterstützten Dienst auf globaler Ebene für Kinder von Priestern und Ordensleuten, männlich wie weiblich, haben“, sagte Doyle gegenüber CNA.
„Ich wollte mit der Kirche arbeiten, anstatt gegen die Kirche zu arbeiten“. Es sei ihm darum gegangen, Lösungen zu finden, aus der Gemeinschaft der Gläubigen heraus.
In der Praxis, so Doyle, sei er jedoch immer wieder abgespeist worden: Wenn er das Thema anspricht, werde er mit „vielen automatischen Standardantworten“ konfrontiert.
Die zuständigen Entscheider seien oft abweisend – nicht zuletzt weil man davon ausgehe, dass es gar keine – oder nur sehr wenige – Kinder von Priestern und Ordensleuten gibt.
Aber stimmt das? „Ich wollte einige qualitative und quantitative Daten haben“, so der Therapeut zu CNA. Er startete zwar die Website Children of Priests International im Dezember 2014. Somit war ab diesem Zeitpunkt die Seite www.copinginternational.com öffentlich zugänglich. Aber Doyle erzählte niemandem davon: Er wollte sehen, wie viele Leute danach suchen.
Zweieinhalb Jahre später – ohne Marketing, Medienaufmerksamkeit oder internationale Werbung – hatte die Seite mehr als 400.000 Zugriffe erhalten.
Bis heute, so Doyle, habe die Website fast 1 Million Besuche aus der ganzen Welt verzeichnet – insgesamt aus mehr als 175 Ländern.
Für den Psychotherapeuten ist dies ein klarer Hinweis darauf, dass es weit mehr Kinder von Priestern und Ordensleuten gibt, als viele Menschen annehmen.
Wie aber nimmt sich die Kirche dieser Tatsache an? Werden die Kinder, die laut Doyle oft im Verborgenen und in Scham leben, angenommen und anerkannt?
Doyle sagte, er habe den größten Erfolg in Irland erlebt, wo die nationale Bischofskonferenz im vergangenen Jahr ein Verfahren aufstellte, um damit umzugehen.
In dem Dokument der irischen Bischöfe heißt es, dass die einzelnen Situationen zwar unterschiedlich seien, aber immer „die Bedürfnisse des Kindes zuerst berücksichtigt werden sollten“. Der Priester und Vater solle seine Verantwortung anerkennen und die Mutter solle voll in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.
Im Jahr 2015 erklärte der Generalsekretär der irischen Bischofskonferenz in einem Brief, dass Vertraulichkeitsvereinbarungen mit Priestern, die Kinder zeugen, ungerecht sind, wenn diese sich auf Mutter und Kind in irgendeiner Weise negativ auswirken.
Für Doyle ist klar: Das Vorgehen der irischen Bischöfe sollte Vorbild für andere Länder sein. Er wünscht sich weltweit mehr Anerkennung für die Kinder von Priestern und sagt, dass er sich deshalb bereits mehrfach an die Päpstliche Kommission für den Jugendschutz gewandt habe.
Im Oktober 2017 antwortete Bill Kilgallon, damals Mitglied der Kommission, auf die Schreiben von Doyle. Der Neuseeländer stellte darin fest, dass die Kommission weder einzelne Beschwerden behandle, noch die Befugnis habe, Anweisungen auf irgendeiner Ebene der Kirche zu geben. Die Kommission sei eben vielmehr ein beratendes Organ, das Papst Franziskus und die Bischofskonferenzen und Ordensoberen der Kirche berate.
Kilgallon sagte weiter, dass auf der jüngsten Sitzung der Kommission beschlossen worden sei, in der Arbeitsgruppe für Leitlinien, welcher er damals vorstand, auch die Erarbeitung solcher für den Umgang mit Kindern von Priestern in Betracht ziehen werde.
Das Kommissionsmitglied gegenüber Doyle weiter: Die bestehenden Richtlinien – wie die der irischen Bischöfe – würden geprüft werden.
Doch dann kam alles anders: Kilgallons Amtszeit in Kommission lief im Jahr 2017 aus und wurde nicht verlängert. Nun sei unklar, moniert Doyle, ob die Diskussion der Arbeitsgruppe zu diesem Thema noch fortgesetzt werde. Er habe an Kardinal Sean O’Malley, den Präsidenten der Kommission, geschrieben.
Der erschütternde Bericht aus Pennsylvania bestätigt indessen für den Psychotherapeuten, dass es Zusammenhänge gibt zwischen Fällen sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen und der Frage des Umgangs mit den Kindern von Priestern: Doyle verweist etwa auf den Fall eines Mädchens, dass infolge einer Vergewaltigung durch einen Priester schwanger wurde. Kinder, die durch sexuelle Übergriffe gezeugt werden sind ebenfalls Opfer von Missbrauch, betont der Therapeut.
Doyle sagt, er hoffe, dass die Päpstliche Kommission für den Jugendschutz ebenfalls den Zusammenhang nun endlich erkennt und sich unter anderem der Frage stellt:
„Wie viele Kinder sind als Folge von Vergewaltigung und sexuelle Gewalt gezeugt worden?“
Übersetzt und redigiert aus dem englischen Original von AC Wimmer. (CNA Deutsch)