„Neue Evangelisierung und ökumenische Verantwortung sind nicht voneinander zu trennen." Das sagte der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Kurt Koch, am Montagnachmittag. In Rom eröffnete er die Vollversammlung des Päpstlichen Einheitsrates mit einem Grundsatzreferat, in dem er die Sicht der katholischen Kirche auf die Reformation umriss.
Kardinal Koch urteilte unter Berufung auf den Kirchenhistoriker Joseph Lortz, die Reformation habe „vor allem Spaltung" bedeutet und der Überzeugungskraft der christlichen Verkündigung „einen entscheidenden Schlag versetzt". Zwar sei das „das genaue Gegenteil von dem, auf das die Reformation eigentlich aus war"; Luther und seinen Anhängern sei es vor allem um die Reform der Kirche an Haupt und Gliedern gegangen. „Es kam aber nicht dazu, sondern zum Bruch; die Hauptaufgabe der Kirche wurde nicht angegangen", so der Schweizer Kurienkardinal. Er hoffe, so führte er immer noch mit einem Lortz-Zitat aus, dass das auch den Protestanten immer deutlicher werde. Die Reformation sei, wie auch der protestantische Denker Wolfhart Pannenberg, einräume, „gescheitert" und müsse erst noch „zu ihrer Vollendung geführt werden". Diese Vollendung der Reformation setze allerdings die Wiederherstellung der christlichen Einheit voraus. Die Entstehung protestantischer und reformierter Kirchen zeige „nicht den Erfolg, sondern das Scheitern der Reformation".
Die Säkularisierung der Neuzeit ist nach der Analyse von Kardinal Koch „eine nicht gewollte, tragische Konsequenz der Spaltung der westlichen Kirche im 16. Jahrhundert". Das Auseinanderbrechen der Christenheit habe also in letzter Konsequenz zur „Emanzipation der modernen Kultur" vom Christentum geführt, und darum sollten die Christen zuerst auf Ökumene setzen, wenn sie in unserer heutigen Zeit neu evangelisieren wollten. Bei der neuen Evangelisierung in den heutigen, pluralen Gesellschaften bräuchten die Christen allerdings nicht auf ihren Wahrheitsanspruch zu verzichten: „Die Universalität des christlichen Glaubens impliziert ja keineswegs den Anspruch auf eine exklusive, objektive Wahrheit im Bereich der menschlichen Kenntnisse, die wir hätten und anderen Religionen gegenüber ins Feld führen könnten. Universalität des christlichen Glaubens ist vielmehr das Gegenteil von Abgrenzung und Polarisierung, von Selbstbehauptung und Intoleranz." Schließlich sei ja die „Universalität der Wahrheit", die der Christ bekenne, „eine Person, nämlich Jesus Christus". „Diese Wahrheit und die universelle Liebe, die alle umarmt und keinen ausschließt, hat sich in Jesus Christus gezeigt."
Kardinal Koch riet dazu, in der modernen Gesellschaft auf die Verbindung der Menschenwürde zum „Geheimnis Gottes" hinzuweisen. Darum sei der Einsatz der Christen für das Leben wichtig. „Der Schutz der materiellen Dinge in unserer Gesellschaft ist viel klarer geregelt als der Schutz des Lebens in all seinen Phasen und Varianten", so Koch. Und wörtlich: „Autos zum Beispiel sind geschützter als ungeborene oder sterbende Menschen, so dass wir dem Wiener Theologen Paul Michael Zulehner zustimmen können, wenn er sagt, man müsste in der heutigen Gesellschaft das Glück haben, als Auto auf die Welt zu kommen!" (rv)