Wer von Frieden spricht, aber gleichzeitig Waffen verkauft, handelt heuchlerisch – ein Zitat des Papstes, der sich in seinen Ansprachen und Predigten immer wieder gegen den Waffenhandel einsetzt. Deutschland könnte sich davon durchaus angesprochen fühlen, wenn es um mögliche Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien geht. Das sagt die GKKE, die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung. Sie fordert die deutsche Regierung auf, Genehmigungen für Rüstungsexporte in den Nahen Osten zurückzunehmen.
Anlass dieser Forderung ist beileibe nicht nur der Ausbruch der aktuellen Konflikte zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, so die Leiterin der katholischen Geschäftsstelle der von beiden großen Kirchen getragenen Organisation, Gertrud Casel. Schon seit ungefähr zehn Jahren sieht der Verband keine Grundlage für deutsche Rüstungsexporte an die Saudis; sie liefen den Richtlinien der Bundesregierung zuwider. Schließlich hielten diese Richtlinien fest, dass Waffenexporte in sogenannte Drittstaaten – außerhalb von Nato und EU – nur im Ausnahmefall genehmigt würden. Doch nach Angaben des GKKE-Rüstungsberichts erhielten im letzten Jahr 62 Länder Zusagen für Rüstungsgüter, deren Menschenrechtssituation als „sehr bedenklich“ eingestuft wird. Eines davon: Saudi-Arabien.
„Von daher haben wir immer gesagt: Bitte, Saudi-Arabien ist die Spitze des Eisbergs, weil die Menschenrechtssituation abgründig ist. Es ist gerade in den Konflikten rund um den Golf eines der Länder, die immer in der Gefahr stehen, die Gewaltdynamik und die Konfliktdynamik anzuheizen. Und die Argumentation der Bundesregierung, dass es ein sogenannter Stabilitätspartner sei, leuchtet überhaupt nicht ein, wenn man die Verbindungen mit dem Salafismus und auch – mindestens indirekt – zur Finanzierung des Islamischen Staats betrachtet. Von daher haben wir Lieferungen an Saudi-Arabien schon immer kritisiert, aber auch die Bundesregierung aufgefordert, generell keine Waffenexporte in Konfliktregionen – und dazu zählt der Nahe Osten insgesamt – zuzulassen.“
Aus dem Zwischenbericht der Bundesregierung geht laut GKKE hervor, dass allein in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres die Lieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien im Wert von rund 178,7 Millionen Euro genehmigt wurde. Die Regierung in Riad war damit nach Großbritannien und Israel auf den dritten Platz der Bestimmungsländer vorgerückt.
Kampf um Vorherrschaft in der Golfregion neu angeheizt
Die aktuellen Spannungen, die Hinrichtungen eines schiitischen Predigers und 46 weiterer Menschen zeigten deutlich die angespannte Lage, so Casel. „Und damit zeigt sich nach meiner Auffassung wie in einem Brennglas die Kritik, die wir schon seit Jahren jetzt auch gegenüber den Lieferungen nach Saudi-Arabien vorbringen. Es handelt sich um ein Land, das immer weniger geneigt sein wird, nach friedlichen Lösungen von Konflikten und von Machtbalance zu suchen, wenn wir es immer weiter mit Waffen ausstatten und in eine Überlegenheitssituation bringen. Wir wissen von der Friedens- und Konfliktforschung, dass da, wo die Waffenmengen ansteigen, die Gefahr der gewaltsamen Eskalation von Konflikten sehr hoch ist. Es ist im südchinesischen Meer nicht anders als hier im Nahen Osten.“
Deutschland habe unter anderem den Export von Geländefahrzeugen und Teilen für gepanzerte Fahrzeuge sowie von Teilen für Kampfflugzeuge und Übungsdrohnen für das Training von Kampfpiloten genehmigt. Insgesamt hatte die Bundesregierung im ersten Halbjahr 2015 Waffenexporte im Wert von 3,5 Milliarden Euro gestattet und damit fast so viele wie im gesamten Jahr 2014. Deutsche Waffen seien bereits im Jemen aufgetaucht, sagt Casel. Das zeige doch, dass man keine Kontrolle habe und diese Waffen in einem Stellvertreterkrieg eingesetzt würden.
Den einzigen Fortschritt, den Casel sieht, ist, dass die Bundesregierung derzeit eine größere Transparenz bezüglich der Rüstungsdaten zeigt – der halbjährliche Bericht helfe, eine Übersicht zu schaffen und den GKKE-Rüstungsexportbericht zu erstellen. Jährlich gibt es zu diesem Thema auch ein parlamentarisches Fachgespräch. Die Opposition zeige sich an diesem Thema immer besonders interessiert, erklärt Casel. Die an der Regierung beteiligten Parteien hielten sich diesbezüglich jedoch bedeckt, denn sie seien die Verantwortlichen für diese Exportgenehmigungen: „Trotzdem kann man sagen, dass wir bei den Grünen und bei der Partei Die Linken auf Unterstützung stoßen. Bundesminister Gabriel von der SPD und die CDU/CSU sind da eher ein problematischer Gesprächspartner.“
Immerhin lädt, wie die GKKE-Verantwortliche lobend vermerkt, Wirtschaftsminister Gabriel die wichtigen Rüstungsexport-Akteure und eben auch den Kirchenverband zum runden Diskussionstisch.
„Wir wissen aber aus einem anderen Fall, dass Gabriel damals nach der Eskalation des Ukraine-Konfliktes für die Lieferung eines Gefechtsübungszentrums nach Russland die Genehmigung widerrufen und dann die Auslieferung gestoppt hat. Von daher – und durchaus in dem Wissen, dass es Kompensationsforderungen gegeben hat – meinen wir: Wo ein politischer Wille ist, da ist ein Weg, und wenn der Wille stark genug ist, muss es möglich sein, jetzt auch die Lieferungen an Saudi-Arabien zurückzuziehen. Ich glaube, dass wäre ein Zeichen, das durchaus auch bei der Regierung in Saudi-Arabien Wirkungen hinterlassen würde.“
Hintergrund: GKKE – Zwei Kirchen, eine Stimme
Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) ist ein ökumenischer, evangelisch-katholischer Arbeitsverbund zur Entwicklungspolitik und gilt als gemeinsame Stimme der beiden großen Kirchen in Deutschland. Sie führt Dialoge mit Parlament, Regierung und gesellschaftlichen Interessengruppen zu Fragen der Nord-Süd-Politik und der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der protestantischen Seite stehen Brot für die Welt und Evangelischer Entwicklungsdienst, auf katholischer Seite die deutsche Kommission Justitia und Pax.
Die Fachgruppe der GKKE zum Thema der Rüstungsexporte besteht aus Wissenschaftlern aus Friedens- und Konfliktforschung, Mitarbeitern aus der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit oder auch Mitgliedern aus Antirüstungskampagnen. (rv)