Die Krankheiten der Seele, fünfzehn an der Zahl und von Papst Franziskus vor genau einem Jahr in seiner Weihnachtsansprache an die Kurie aufgezählt, sind schnell berühmt geworden. Wie kann ein Chef so etwas seinen Mitarbeitern vorhalten? Ist das wirklich nur ein Beichtspiegel, oder ist das nicht auch eine Rückmeldung? Viel Rätselraten, was es mit diesen Krankheiten, dem spirituellen Alzheimer, der geistigen Versteinerung, des Funktionalismus und so weiter, auf sich hat. An diesem Montag wird Papst Franziskus sich wieder an die Kurie wenden, dazu hat Pater Bernd Hagenkord hat etwas nachgeforscht (ausführlich hier) und eine Quelle für die Ansprache aus dem vergangenen Jahr gefunden. Was hat es damit auf sich?
„Nun ja, Quelle ist vielleicht etwas übertrieben, aber es gibt tatsächlich eine Vorlage dafür. Die Zahl fünfzehn hat mich stutzig gemacht. In der Tradition des Jesuitenordens gibt es einen Text, der auch ‚die Krankheiten der Seele und Weisen sie zu heilen’ heißt, und da sind es auch genau fünfzehn Stück. Sie sind alle anders als die von Papst Franziskus genannten, aber das Vorbild scheint mir klar zu sein. Ein früher berühmter Text, der in vielen Regelsammlungen des Ordens abgedruckt war. Und Pater Jorge Bergoglio kennt die Tradition seines Ordens sehr gut. Es ist übrigens ein alter Text, bereits aus dem Jahr 1600.“
Warum hat Papst Franziskus einen so alten Text aufgegriffen, um sich heute an die Kurie zu wenden?
„Da müssen wir den Papst schon selber fragen, aber ich denke, die Tradition der Beichtspiegel und die Versuche, erst einmal bei sich selbst anzufangen, bevor man allgemein kritisiert, das sind Traditionen, die er wachrufen wollte.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Original – wenn ich es denn mal so nennen darf – und der Ableitung durch den Papst. Das Original ist vom damaligen Jesuitengeneral Claudio Aquaviva als Leitungsinstrument geschrieben worden, es war also für Ordensobere gedacht. Papst Franziskus dagegen möchte, dass jeder über sich selbst nachdenkt, das ist eine völlig andere Gattung Text. Deswegen darf man die Analogie zwischen den Texten nicht übertreiben. Aber die Bildsprache der Krankheiten und die Zahl Fünfzehn legt sehr nahe, dass der Papst sich an diesem alten Text orientiert hat.“
Lernen wir aus dem alten Text etwas, was uns beim Verstehen der Papstansprache helfen kann?
„Ich glaube, dass uns das Bild der ‚Krankheit’ etwas klarer wird. Damit greift der Papst eine alte Sprache auf, die wir heute so nicht mehr verwenden, unser Verständnis von Krankheit ist ja ein anderes, niemand trägt Schuld daran, dass er etwa Alzheimer hat, das wäre absurd. Die Bildsprache der Krankheiten der Seele aber geht ja davon aus, dass man selber etwas daran machen kann. Also eine ganz andere Vorstellungswelt. Der alte Text kann uns beibringen, wie vorsichtig wir mit zu engen Analogien umgehen müssen. Es ist wirklich keine Analyse einer Situation, sondern eine Aufforderung, selber bei sich nachzudenken. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.“ (rv)