Guido Marini sorgt seit zehn Jahren für den reibungslosen Ablauf jeder Papstmesse. Am 1. Oktober 2007 ernannte Papst Benedikt XVI. ihn zum Päpstlichen Zeremonienmeister, und Franziskus behielt ihn an selber Stelle. Das überraschte, denn die liturgischen Stile der beiden Päpste unterscheiden sich deutlich.
Der folgende Text von Gudrun Sailer erschien zuerst in der Monatszeitschrift „Gemeinsam Glauben“. Radio Vatikan präsentiert ihn hier mit freundlicher Genehmigung des Verlages Herder. Ein Radio-Vatikan-Interview mit Monsignore Marini von 2008 findet sich hier.
Ob im Petersdom, auf Lampedusa, an der Copacabana oder in Zentralafrika, wo immer der Papst eine Messe feiert oder einer Andacht vorsteht, da weicht ihm ein Mann nicht von der Seite: Guido Marini. Fein und schmal, die Hände gefaltet, makelloses Rochett über dem purpurnen Talar. Die Augen hinter randlosen Brillen signalisieren abwechselnd geistliche Sammlung und Konzentration auf äußere Abläufe: die Schrittfolgen, die Rhythmen von Wort, Musik und Stille, Lesungen und Fürbitten in Fremdsprachen. Das Predigtmanuskript muss zur rechten Zeit parat sein, der etwas fußmarode Papst braucht Hilfe beim Überwinden der Altarstufen, und die Kommunionspender in der Größenordnung von 200 wollen beim Ausschwärmen mit ihren Kelchen im Auge behalten werden.
Eine Papstmesse ist ein gut organisiertes Werk, und der Zeremonienmeister garantiert wie ein Gütesiegel, dass alles stimmt. Egal in welcher Stadt und bei welchem Wetter. Läuft in Manila ein Fürbittleser zu langsam zum Ambo, weil der für ihn zuständige Zeremoniär gerade mit dem Regenschirm kämpft, so geht das auf des Meisters Kappe. Doch Pannen sind rar unter Marini.
Klare Weisungen für eine schöne Messe
Schon bei der Generalprobe wird so lange geübt, bis alles sitzt. Sechs bis sieben Zeremoniäre instruieren die verschiedenen liturgischen Dienste, die Konzelebranten, die Messdiener und die manchmal aufgeregten Gläubigen, die Lesungen und Fürbitten vortragen. Klar und nicht ohne Humor wird ihnen erklärt, wie sie laufen und lesen sollen. Marinis Weisung lautet: langsam sprechen und die Augen stets auf dem Text ruhen lassen. Nicht den Blickkontakt mit dem „Publikum“ suchen: Eine Papstliturgie ist keine Fernsehshow.
Papst Benedikt XVI. hatte den aus Genua stammenden Priester Guido Marini zu sich in den Vatikan geholt, weil er einen Zeremonienmeister wünschte, der seine liturgische Sensibilität teilte. Sein Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, ebenfalls aus Genua, empfahl Marini. Der damals 42-jährige Priester hatte ein Doktorat in zivilem und Kirchenrecht und einen weiteren Abschluss in Psychologie der Kommunikation, und er war geistlicher Leiter am Priesterseminar. Ein zutiefst spiritueller Mensch, zurückhaltend, mit leiser Stimme. Keiner, der sich und seine Vorstellungen aufdrängt.
Es war eine gelungene Symbiose zwischen dem süddeutschen Papst und seinem norditalienischen Zeremoniär. Beiden war es ein Anliegen, die immerwährende Schönheit des Gottesdienstes zum Leuchten zu bringen. Nach und nach gewahrten die Gläubigen bei den Papstmessen liturgische Elemente, die sie lange nicht gesehen hatten: altehrwürdige goldgewirkte Messgewänder und Mitren, das Kreuz in der Mitte des Altares, Mundkommunion für alle; beim Fest der Taufe des Herrn in der Sixtinischen Kapelle zelebrierte Papst Benedikt „ad orientem“, und als Kreuzstab benutzte er einen geschenkten aus Messing, der an Modelle aus dem 19. Jahrhundert erinnerte, während der moderne Kreuzstab von Papst Paul VI. vorerst in die päpstliche Sakristei zurück wanderte. Schön, feierlich und gediegen war das alles, eine liturgische Weiterentwicklung der Papstmesse im Respekt der Tradition, „im Zeichen der Kontinuität, nicht des Bruches“, erklärte Marini in einem Interview 2008.
Papst Franziskus bestätigte Guidi Marini im Amt
Der liturgische Stil von Papst Franziskus indes muss den Zeremonienmeister anfangs eher irritiert haben. Als der Argentinier sich als frischgewählter Bischof von Rom erstmals den Gläubigen der Welt präsentierte, trug er die schlichte weiße Soutane, die purpurgoldene Stola legte er sich eigenhändig und nur zum Akt des Segnens um, ehe er sie dem verdutzt neben ihm stehenden Marini zurückgab. Bei der Messe singt Franziskus nicht, und wegen eines orthopädischen Problems verzichtet er auf die Kniebeuge bei der Wandlung. Überhaupt kehrte bei den Papstliturgien eine ästhetische Kargheit ein, die Rom in dieser Form gar nicht kannte. Alle dachten, Marinis Tage im Vatikan seien gezählt. Sie irrten. „Er lernt von mir und ich von ihm“, begründete Franziskus seine Entscheidung, den Zeremonienmeister im Amt zu bestätigen. Und so findet sich das eine oder andere aus der liturgischen Handschrift Benedikts auch in Franziskus-Messen, etwa das Kreuz, das nach wie vor in der Mitte auf dem Altar steht. Und das Verhältnis zwischen dem Papst und dem Zeremoniär ist augenscheinlich von Respekt, gar Herzlichkeit getragen. Wenn Franziskus kommt, um die Messe zu feiern, begrüßt er alle seine Zeremoniäre persönlich. Marini umarmt er.
Er ist etwas ergraut in diesen zehn Jahren im Amt, Monsignore Marini. Ein Interview hat er mit seiner leisen und charakteristischen hohen Stimme am Telefon abgelehnt, freundlich wie immer. Wer Guido Marini kennt, sagt über ihn, er sei geistlich derart durchformt, dass er Äußerlichkeiten keinen übergroßen Wert beimisst. Seine Vorliebe für klassische Ausdrucksformen im Gottesdienst sei offensichtlich, aber für ihn selbst letztlich zweitrangig. Mit Papst Franziskus – und auch mit Papst Benedikt – teilt der Zeremonienmeister die Auffassung, dass Liturgie ein Weg zu Gott ist. Ein Weg, der durch verschiedene Landschaften und doch zum selben Ziel führen kann. (rv)
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